Ein Portrait aus Walsers Zoologie der eigenartiger Charaktere: der religiöse Alte.
Rezension
Augustin Feinlein stammt aus Letzlingen und leitet nun in Scherblingen eine psychiatrische Anstalt. Dass die Gemäuer seines Hauses früher ein Kloster beherbergten, passt zur Einstellung des feinen alten Herrn, bei dem die Seelenheilkunde noch mit der Seele zu tun hat. Bedrängt von einem jüngern Arzt, der gerne aufsteigen will und eine mehr pharmazeutisch inspirierte Therapie vertritt und außerdem voller unauflöslicher Erinnerungen an einige unglücklich verlaufenen Frauengeschichten, gerät Feinlein in ein seltsames Vehältnis zur katholischen Reliquienfrömmigkeit, bis er schließlich eine klaut.
Diese Novelle ist eine (Teil-)Vorabveröffentlichung des 2011 erschienenen Romans "Muttersohn" (Rowohlt Verl. ISBN 978-3-498-07378-7). Eingebett in den Kosmos anderer religiös gefärbter Gestalten scheint die Geschichte dann weniger träumerisch und abseitig. Liest man nur diese Novelle, wirkt sie gelegentlich beinahe satirisch.Rezensent: Frank Hiddemann
Personen: Walser, Martin
Walser, Martin:
Mein Jenseits : Novelle / Martin Walser. - 3. Aufl. - Berlin : Berlin University Press, 2010. - 119 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-940432-77-3 geb. : EUR 19.90
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