Ein neues Leben nach der Migration. (DR) Der 1978 im bosnischen in Višegrad geborene Saša Stanišic erzählt in seinem autobiografischen Roman, wie er als 14-Jähriger mit seiner Mutter aus seiner Heimat über Serbien, Ungarn und Kroatien flüchtete und schließlich 1992 in Heidelberg ankam - gerade zu jener Zeit, als Neonazis das Rostocker Wohnheim anzündeten, in dem vietnamesische Arbeiter hausten. Kurz darauf begann Stanišic mit dem Sprachunterricht, bei dem er und andere Geflüchtete Zeitungsausschnitte über die Pogrome zu lesen bekamen: "Diesmal hatten das Wesentliche wohl alle begriffen. Diesmal waren wir gemeint." Stanišic wollte aber nicht gemeint sein. Darum gibt er sich fortan als Slowene aus, denn "da denken die Leute an Skifahrer, nicht an Kriegsopfer". So erfahren wir langsam, was es heißt, als Geflüchteter in einem fremden Land zu leben und welche Demütigungen zu ertragen sind. Bald aber entdeckt der Autor die deutsche Romantik für sich und lernt Hölderlin, Eichendorff sowie eine junge Dame sehr schätzen: "In einer lauen Sommernacht in meinem zweiten deutschen Jahr habe ich dort mein Herz verloren an ein Mädchen mit rotem Haar, das mir versucht hat beizubringen, das Verb stehe in deutschen Relativsätzen immer am Satzende, was ich schon längst wusste, aber sie erklärte so schön." Fazit: Auch wenn Stanišic die erbärmliche Gegenwart nicht aus dem Blick verliert und präzise wiedergeben zu vermag, ist sein Wille zur Romantik und sein Hang zur poetischen Sprache doch stärker, sodass man "Herkunft" gerne freiwillig liest. Auch das sehr mangelhafte Lektorat vermag die Lesefreude kaum zu trüben.
Personen: Stanisic, Sasa
Stanisic, Sasa:
Herkunft. - München : Luchterhand, 2019. - 355 S.
ISBN 978-3-630-87473-9 fest geb. : 22,70 EUR
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: Sta - Buch