Das vorliegende Buch stellte Joseph Stiglitz fertig, nachdem die Welthandelsrunde von Doha bereits gescheitert war. Der Abbau der Agrarsubventionen in den reichen Ländern (kritisch dazu s. ATTAC-Stellungnahme im Kasten) sowie die Abschaffung der abgestuften Zölle für Produkte höherer Fertigungstiefe aus Entwicklungsländern gelten für den Autor weiterhin als wesentliche, wenn auch nicht hinreichende Schritte zu einer "fairen Welthandelsordnung". Anschaulich und auch für Laien gut verständlich beschreibt Stiglitz die zentralen Handlungsfelder einer ökonomisch und sozial austarierteren Weltentwicklung und unterbreitet eine Vielzahl an Vorschlägen. So endet jedes Kapitel mit einem Abschnitt "Was zu tun ist". Der Ökonom fordert etwa einen großzügigeren Zugang der Entwicklungsländer zu Wissen. Medikamente sollten zum Selbstkostenpreis weitergegeben werden, die Forschung dafür aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Frei verfügbares Wissen würde letztlich zum Vorteile aller gereichen, so der Autor in Erinnerung an das Bild des US-Präsidenten Thomas Jefferson, dass eine Kerze nicht an Leuchtkraft verliert, wenn mit ihr eine andere entzündet wird. Den rohstoffreichen Entwicklungsländern rät Stiglitz nicht nur zu einer effizienten, der gesamten Bevölkerung zu Gute kommenden Investition der Einnahmen, er fordert auch internationale Unterstützung etwa durch Musterverträge für faire Schürfrechte. Die Konzerne sollen in ihren Mutterländern angehalten werden, Zahlungen an ausländische Regierungen nur dann steuerlich absetzen zu können, wenn sie diese transparent machen, was der Korruption entgegenwirken würde. Die Zertifizierung von Rohstoffen soll - analog der UN- Vereinbarung zum Diamantenhandel mit Sierra Leone - dem kriminellen Sektor das Wasser abgraben. Hinsichtlich Eindämmung des Klimawandels, einem "Experiment gewaltigen Ausmaßes", schlägt der Ökonom eine global verbindliche CO2-Steuer vor, die leichter umzusetzen sei als die lückenhaften Reduktionsvereinbarungen des Kyoto-Protokolls. Auch Strafzölle für Produkte aus das Klima belastenden Herstellungsverfahren sollen möglich sein, um Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen (etwa Nachteile für umweltschonender erzeugten Stahl). Reduktionsziele bzw. -kontingente wiederum hätten nur Sinn in Verbindung mit einem Emissionshandel. Da 20 Prozent des Anstiegs an Treibhausgasen in der Atmosphäre in den letzen Jahren allein auf Entwaldung zurückzuführen seien, schlägt Stiglitz vor, Länder auch für die Bereitschaft, Regenwaldflächen nicht abzuholzen, zu entschädigen (derzeit gibt es Unterstützung nur für Aufforstungsmaßnahmen). Weitere Vorschläge beziehen sich auf die Rolle multinationaler Konzerne, die mehr in die soziale Pflicht genommen werden müssten, den Ausstieg aus der Verschuldungsdynamik (Stiglitz rät den Entwicklungsländern zu einer "zurückhaltenden Kreditaufnahme") sowie die Schaffung einer vom US-Dollar unabhängigen Reservewährung ("Weltdollar"). Im Schlusskapitel "Die Globalisierung demokratisieren" fordert der Autor einen "globalen Gesellschaftsvertrag", der die wesentlichen im Buch gemachten Vorschläge noch einmal zusammenführt. Resümee: Globalisierung und Freihandel sind für Stiglitz eine Chance, wenn sie gestaltet werden. Der Rückfall in einen Protektionismus wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der die weltweite Rezession nur verschärft habe, sei nicht zu wünschen, wenn freilich auch nicht ausgeschlossen. *Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen* Hans Holzinger
Personen: Stiglitz, Joseph E.
GS Sti
Stiglitz, Joseph E.:
Die Chancen der Globalisierung / Joseph E. Stiglitz. - Berlin : Siedler, 2006. - 446 S.
ISBN 978-3-88680-841-0 EUR 25.70
Soziol.(Gesch.,Kritik), Recht, Staat - Buch