Diwiak, Irene
Liebwies Roman
Buch

Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Cornelia Gstöttinger; Geschmückt mit fremden Federn. (DR) In diesem außerordentlich gut erzählten Erstlingswerk hat man es mit narzisstischen Selbstdarstellern und verborgenen Genies im Kunstbetrieb der Zwischenkriegszeit zu tun: Ein desillusionierter Musiklehrer, nach dem Ersten Weltkrieg seiner Arbeitsstelle, seiner Ehefrau und seiner zweiten Nasenhälfte beraubt, macht im abgeschiedenen Dorf Liebwies eine herausragende Entdeckung für die Musikwelt. Ein Kunstmäzen lässt sich in seiner Trauer um seine Ehefrau blenden und erwacht zu spät aus seiner traumwandlerischen Selbsttäuschung. Eine naive Schönheit vom Land mutiert zum Star einer Oper, obwohl sie keinerlei Talent hat. Eine von allen unterschätzte Künstlerin bleibt in der Erinnerung so unscheinbar, wie ihr Auftreten war. Ein selbstverliebter Dichter, der in einem - äußerst kurzen - Moment der Klarheit erkennt, dass seine Kunst so gehaltvoll und tragfähig wie eine "alte, leere Einkaufstüte" ist, wird zum gefeierten Komponistengenie à la Wagner. All diese Figuren (und noch mehr!) haben ihren schillernden Auftritt in Irene Diwiaks Debütroman, der einen herrlich bösen Blick auf den Kunstbetrieb wirft und die Frage nach wahrer Schönheit stellt. Es sind Figuren, die einem im Gedächtnis bleiben. Diwiak hat sie mit großer Sorgfalt gezeichnet, sie mit skurrilen Eigenheiten ausstaffiert, ihnen Leben eingehaucht, sie zu Unikaten gemacht. Virtuos und stimmgewaltig fügt die junge Autorin einzelne Charakterstudien zu einem detailliert ausgemalten Zeitpanorama zusammen, in dem zwei Frauen im Zentrum stehen: eine betörend schön und überschätzt, eine blass und hochbegabt. In ihrem Streben nach Glück sind sie tragisch miteinander verbunden. Eine bemerkenswerte neue Erzählstimme aus Österreich. Allen Büchereien zu empfehlen! ---- Quelle: Pool Feuilleton; Opernfiguren brauchen vor allem eines: Viel Luft rund um sich, damit sie sich stimmlich ausbreiten und ihre Persönlichkeit entfalten können. Irene Diwiak kümmert sich in ihrem grotesken Anti-Künstler Roman um diese viele Luft, die die Helden auf ihren Wegen an der Peripherie der Gesellschaft umgibt. Als Höhepunkt kommt es zu einer Aufführung des unheimlich kasteiten und kastrierten Werkes "Die Gräfin der Stille". Der Beginn ist ernüchternd wie der Beginn von Kafkas Schloss. Ein Heimkehrer aus dem ersten Weltkrieg hat seinen Nasenflügel verloren und daher auch seine Stelle als Musiklehrer in der Landeshauptstadt. Er lässt sich eine Fahrkarte aufs Land aussuchen, und als er im Zug den Namen eines Fuzzi-Dorfes hört, fährt er nach Liebwies, wo er ähnlich wie seinerzeit der Landvermesser nicht willkommen ist. Während des Unterrichts an der dortigen Volksschule hat er es mit hässlichen Menschen zu tun. Ein besonders hässliches Mädchen kann aber gut singen. Als aus der Stadt ein Musikdirektor kommt, um diese Stimme zu hören, nimmt er Gisela, die Schwester der Hässlichen, weil sie ausschaut wie seine verstorbene Frau, und er verspricht ihr eine Gesangskarriere. An anderer Stelle wird eine Fabrikantin von einem Erfinder heimgesucht, der ihr einen Vorgänger von Tweet vorstellt, es kommt aber zu keinem Geschäft, weil die Fabrikantin schnell eine Geburt hinlegt. "Ich gebäre immer so schnell wie möglich." (123) Aus der Schnellgeburt entsteht Ida, die Klavierspielerin werden möchte. Sie wird später von einem wahnsinnigen Komponisten gesichtet und sofort geheiratet. Heimlich komponiert sie, und der eigene Mann klaut ihr schließlich die Komposition, weil er eine Oper ohne viel Gesang abgeben muss. So kommt es schließlich zur Aufführung der Gräfin der Stille, wobei die Sängerin aus Liebwies nicht singen kann und der Komponist die Noten gestohlen hat. Die Heldinnen dieses Desasters treten in einen innigen Briefverkehr und erklären aus weiblicher Sicht das Wesen der Oper und machen sich über die Männerwelt lustig. Als die Nazis schon lange am Ruder sind, wird die Frau des Komponisten noch kurz verhaftet, was sie als Beweis für hohe Qualität ihres Schaffens deutet. Noch später wird man die peinliche Geschichte vom Operndesaster ganz anders erzählen und alle in das helle Licht der Provinzszene rücken. Irene Diwiak gibt diesen Figuren genug Luft, dass sie ihren Wahnsinn auch ordentlich entfalten können. "Ordnen Sie sich!" lautet der Befehl, wenn jemand nicht mehr weiterweiß. Liebwies ist ein entlegener Misthaufen, aus dem sich eine groteske Künstlerkarriere entwickelt und eine eigene Dynastie gründet. Der Name sagt alles, lieblich und aus Wald und Wiesen geboren. - Eine "herrliche" Karikatur des Kunstbetriebes, aufgerollt von den Damen des Geschäftes. Helmuth Schönauer


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Personen: Diwiak, Irene

DR.G Diw

Diwiak, Irene:
Liebwies : Roman / Irene Diwiak. - Wien : Deuticke, 2017. - 334 S.
ISBN 978-3-552-06347-1

Zugangsnummer: 25111
Gesellschaftsroman/ Liebesroman - Buch