Dreißigjährig, nach Jahren erfolgloser Arbeit an seinem ersten Romanprojekt «Ich, der Henker», den Bekenntnissen eines Naziverbrechers, entschließt Imre Kertész sich zu einer «nüchternen Selbstprüfung». Daraus erwächst zwischen 1958 und 1962 sein erstes Tagebuch - 44 eng beschriebene Blätter. Und während er noch mit Musik-Komödien für die Budapester Bühnen seinen Lebensunterhalt verdient, hält er hier minutiös sein Denken, Lesen und Schreiben fest: vom Entschluss, statt der Henker-Bekenntnisse nun die Geschichte seiner Deportation zu schreiben - also «meine eigene Mythologie» -, bis hin zur Fertigstellung der ersten Kapitel. Dazu die unablässige Auseinandersetzung mit Dostojewski, Thomas Mann und Camus, mit deren Hilfe er die für diesen beispiellosen Entwicklungsroman benötigte Technik findet.
«Der Muselmann», so sollte der «Roman eines Schicksallosen» ursprünglich heißen. Zehn weitere Jahre würde Kertész noch zu seiner Vollendung brauchen, um anschließend zu erleben, wie das Buch, das dreißig Jahre später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden würde, im sozialistischen Ungarn zunächst abgelehnt wurde.
Personen: Kertesz, Imre Krüger, Ingrid Kelemen, Pal Müller, Lothar
Standort: Biographie
Bb Ker
Kertesz, Imre:
Heimweh nach dem Tod : Arbeitstagebuch zur Entstehung des "Romans eines Schicksallosen" / Imre Kertesz; herausgegeben und ins Deutsche übertragen von Ingrid Krüger und Pal Kelemen; mit einem Nachwort von Lothar Müller. - Originalausgabe. - Hamburg : Rowohlt, 2022. - 140 Seiten
ISBN 978-3-498-00223-7 Festeinband
Lebensbilder, Briefe und Tagebücher einzelner Personen - Buch