Eva Gruber wird von der Polizei in die Psychiatrie nach Steinhof in Wien gebracht. Sie prahlt damit, eine Kindergartenklasse ermordet zu haben, doch Vorsicht ist geboten, man kann der Person nicht ganz trauen. Schließlich wird sie von der Polizei nicht ins Gefängnis, sondern in die Psychiatrie gebracht. Was soll man ihr glauben? Dem leitenden Psychiater Dr. Korb erzählt sie, dass sowohl Vater als auch Mutter tot seien. Später wird sie dann freimütig gestehen, am liebsten würde sie den verhassten Vater umbringen. Evas jüngerer Bruder Bernhard ist ebenfalls in der Klinik. Er ist bis zum Skelett abgemagert. Eva erzählt dem Psychiater von ihrer Kindheit in einem erzkatholischen Dorf in Kärnten und vom tyrannischen Pfarrer, der die Religion als Mittel zur Unterdrückung missbraucht. Die Autorin zeigt auch schonungslos auf, welch verhängnisvolle Rolle die katholische Kirche in Kärnten in den 70er und 80er Jahren spielte. Was ist in dieser Familie passiert? Eva und ihr Bruder sind Opfer des gewalttägigen alkoholkranken Vaters und einer überforderten Mutter. Eva ist hochintelligent, sie hat eine blühende Phantasie und sie ist eine Meisterin der Intrige und der Manipulation. Ihre Erinnerungen sind voller Sarkasmus, schonungslos offenbart sie die Lebenslügen der Eltern und die Enge der Provinz. Die Rückblenden sind kunstvoll konstruierte Kurzgeschichten. Es stellt sich dann heraus, dass die Behauptung, eine Kindergartenklasse ermordet zu haben bzw. ihre Mordphantasien nur ein Trick waren, um in die Anstalt zu gelangen, um den magersüchtigen Bruder herauszuholen und zu retten. Die Therapien würden dem Bruder nicht helfen, Heilung könne nur die Rache am Vater bringen. Bernhard will allerdings von Evas Racheplänen nichts wissen. Die Geschwister sind sehr verschieden: er bleibt stumm und wehrlos, Eva hingegen reagiert und schlägt zurück. Ein ungewöhnlicher Roman mit einer ungewöhnlichen Hauptfigur, bei der man nicht weiß, was Wahrheit und was Fiktion ist. Ein unterhaltsamer und berührender Debütroman über zwei ungleiche Geschwister, der vor allem wegen seiner direkten und humorvollen Sprache überzeugt. Eher für größere Bibliotheken geeignet.
Personen: Lehner, Angela
Leh
Lehner, Angela:
Vater unser : Roman / Angela Lehner. - 1. Auflage. - Berlin : Hanser Berlin, 2019. - 283 Seiten ; 21 cm
ISBN 978-3-446-26259-1 Festeinband : EUR 22
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