Zwischen 11 und 14 haben fast alle Kinder die schrecklichsten Mütter der Welt. Entweder sind diese chao-tisch und benötigen die stete Hilfe der Tochter um zu überleben, oder sie sind modern und geben dem Sprössling allen Grund, sich dauerhaft zu schämen für das jugendliche Verhalten der doch so betagten Mut-ter, oder sie sind voller Sorge und Angst, was dem Nachwuchs allein auf dem Schulweg zustoßen könnte. Stets verbieten sie, was Spaß macht und interessant ist (Chips essen und endlos fernsehen), und meist sind sie von der genialen Begabung ihres Kindes überzeugt, die merkwürdigerweise nicht von allen anderen sofort erkannt wird. Was Wunder also, als eines Tages Bruno, Emily und Sofia im Internet auf eine Anzeige stoßen unter (Tipp: Ausprobieren, die amüsante Seite gibt es wirklich!) und stracks an ei-nem Wettbewerb, wer die schrecklichste aller Mütter hat, teilnehmen - und gewinnen. Zur gleichen Zeit sieht man in dem ödesten Ort einer Nordseeinsel reges Leben und Treiben sich entfalten. Herr Wohlfarth ist es, der hier ein Projekt plant (und zwar nicht für Models, wie die Nachbarn glauben), eine "Mütterverbesserungsanstalt", und als dann auch noch Kruschke auftaucht, der weibliche Roboter produziert und ihnen Leben einhaucht, ahnt der Leser schon, was sich nun Feines anbahnt. Aber davon wissen die Kin-der noch nichts. Als sie eines Tages aus der Schule kommen, ist Mutter nicht da, dafür eine ihnen ganz un-bekannte Tante Anna, und die erweist sich bald als absolute Perle. Alles kann sie: das Lieblingsgericht ko-chen und sauber machen, alles erlauben, was Mutter verboten hat, kurz: Sie liest den Kindern jeden Wunsch von den Augen ab. Nur mit den Gesprächen hapert es manchmal ein bisschen, die Antworten passen nicht immer ganz und wiederholen sich, und als eine der Annas Sofias Bruder eines Morgens Katzenfutter serviert statt Cornflakes und die zweite Anna wie wild zu zucken beginnt, als Bruno mit der Fernsehfernbedienung spielt, da dämmert es den Kindern, dass da irgendetwas oberfaul ist... Eine turbulente Geschichte nimmt ihren Lauf mit herrlich skurrilen Einfällen, die einander temporeich jagen und den Leser oftmals lauthals loslachen lassen. Aber manchmal, da bleibt einem das Lachen auch ein biss-chen im Hals stecken, nämlich dann, wenn man sich (als rezensierende Mutter) selbst in einer der Mütter begegnet... Es ist kein Klamauk, was Sabine Ludwig hier erzählt; sie hat als unerbittliche Beobachterin Müttern und Kin-dern "aufs Maul geschaut" mit scharfen Augen und scharfen Ohren für falsche Töne. Es ist ein Spiegel, den Sabine Ludwig hier Kindern UND ihren Eltern vor Augen hält, der trotz aller grotesken Situationskomik und lachhaften Momente von einem Satz zum nächsten umschlagen kann in eine melancholisch-traurige Szene, anrührend und zu Herzen gehend. Die vielen Geschehnisse kann man nicht auflisten, hier darf sich der Leser überraschen lassen von der über-sprudelnden Fantasie Sabine Ludwigs, denn auch wenn man die Richtung sieht, in die sich das Geschehen bewegt, bleibt stets und ständig Raum für unvorhergesehene Wendungen. Dass es ein gutes Ende gibt, steht außer Zweifel, aber wie es erreicht wird und wie es weitergeht, ist bis zum Schluss offen. Intelligente, abenteuerliche Unterhaltung vom Feinsten, mit einer gehörigen Portion an Denkanstößen, die das Miteinander der Generationen in der Familie fordern und fördern - und so gesehen ein Plädoyer für Toleranz auf beiden Seiten: einerseits Kindern zutrauen, dass sie etwas richtig machen, und ihnen zugeste-hen, eigene Vorstellungen vom Leben zu haben; andererseits Müttern manches nachsehen und verstehen, dass sie oft vieles einfach nur aus Liebe falsch machen ... *Alliteratus* Astrid van Nahl
Personen: Ludwig, Sabine
Ludwig, Sabine:
Die schrecklichsten Mütter der Welt. - Hamburg : Dressler, 2009. - 283 S.
ISBN 978-3-7915-1237-2 fest geb. : EUR 14,30
Erzählungen 9-12 Jahre - Signatur: Ju 2 Lud - Buch