„Es ist das größte Glück der Welt, dass wir hier gelandet sind“, erklärt die elfjährige Lotte, die mit ihrer Familie aus Berlin zu Tante Hilde aufs Land gezogen ist. „Auch wenn es das größte Unglück der Welt ist, das uns hergebracht hat: der Krieg.“ Doch nun ist der Zweite Weltkrieg vorbei und die Protagonistin erzählt in 36 Kapiteln mitten aus ihrem westdeutschen Nachkriegsalltag. Schauplatz ist ein kleines Dorf am Fluss, die mitspielenden Figuren sind Familienangehörige und Nachbarn. „Wie war das damals eigentlich?“, steht dabei als große Frage hinter dem schön gemachten Hardcover, das vom großen Schweigen nach dem Krieg ebenso berichtet wie von verdeckten Sehnsüchten, schweren Krankheiten und zarten Liebeleien. Kinderspiele und Frauensachen werden ganz nebenbei genauso abhandelt wie das Briefeschreiben, Motorradfahren und Kleidernähen. Für ihre Recherchen greift die Bremer Autorin und Illustratorin auf Schilderungen von Zeitzeugen und eigenen Verwandten zurück. Etliche Fotos im Anhang dienen als Anschauungsmaterial. Illustriert wird das (Vor-)Lesebuch zudem mit akkurat gezeichneten Bleistiftvignetten, die Teppichklopfer, Muff und Menstruationsgürtel zeigen. Dazu kommen kurze Erläuterungstexte, eine Zeittafel sowie Buch- und Museumstipps. So entsteht in Bild und Text eine „erfundene Geschichte“, die doch „von lauter wahren Begebenheiten“ durchzogen ist, wie es im Nachwort heißt. Von der Perspektive hängt es dann ab, ob man dieses Spannungsfeld aus thematischer Bezogenheit und Fiktion als gelungen empfindet. Ein literarisches Kunstwerk darf man sich von diesem Erinnerungsbuch nicht unbedingt erwarten. Die Sätze sind zwar kurz, leicht zu lesen und vermitteln durch ihre Gegenwartsform eine starke Präsenz und Lebendigkeit. Immer wieder aber werden Passagen auch etwas gestelzt in die Vergangenheit gesetzt. „Für die Zwischenwände zogen sie Balken ein und fachten sie mit Heu und Lehm aus“, heißt es zum Beispiel über den Ausbau eines Dachbodens. Sprechen so wirklich Kinder? Rechnet man hingegen mit einem Sachbuch über das Leben in der Nachkriegszeit, kann der anekdotenreiche Erzählfluss durchaus beflügeln und mit viel Wissen über alte Zeiten bereichern. Abgesehen davon wird reichlich Stoff für Gespräche zwischen den Generationen geboten. Und solche Zeitreisen bereiten wirklich großes Vergnügen!

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Personen: Bär, Anke