Steinhöfel, Andreas
Rico Oskar und das Mistverständnis
Buch

Es ist Herbst. Die Jahreszeit des Abschiednehmens. Dies wird wohl der letzte Rico und Oskar-Band (in dieser Form …?) sein. Schon deswegen scheint es ständig zu regnen und Peter Schössow muss ordentlich Sepiafilter über all die welkenden Blätter legen. Und dann auch noch das: Rico und Oskar geraten in Streit. Und zwar so heftig, dass einem das Herz stehen bleibt. Dabei gälte es gerade jetzt, alle Kräfte zu vereinen. Denn der Hinterhof soll verkauft werden. Damit wäre jene charmante Kreuzberger Clique heimatlos, die seit den animierten Spin-Offs ein wichtiger Teil von Ricos (transmedial weiter erzählter) Welt ist. Zu dieser Clique gehört auch Sarah. Und Rico weiß mittlerweile nicht nur semiotisch-semantische Scherze zu machen (Stichwort: RUMKUGELN), sondern ist schön langsam auch alt genug für ein wenig Herzschmerz. Der ja bekanntlich mit dem Mistverständnis verschwägert ist. Dass Oskar sowohl zur Eifersucht, als auch zu Besitzansprüchen neigt, hat sich ja bereits in den sommerlichen Rückblenden im vierten Band gezeigt. Erst mit dem herabschwebenden Vomhimmelhoch konnten Irrtümer ausgeräumt und Animositäten beigelegt werden. Nun aber kocht Ricos „verschluckte Wut blitzschnell hoch“, als Oskar mit nicht eben lauteren Mitteln Sarahs Dauerpräsenz in Ricos Herz zu torpedieren versucht. Erstmals seit jenen Tagen, als Mister 2000 sein Unwesen trieb, gehen die beiden getrennte Wege: Rico und der Checker reisen mit Frau Dahling nach Bad Wildungen, die ihrerseits Herrn van Scherten nachreist. Und stellen fest, dass die familiären Verwicklungen rund um die Frage nach Besitz und Nutzung des Hinterhofs lange Schatten werfen. Oskar versucht derweil mit der restlichen Clique in Kreuzberg die nötigen Informationen zusammenzutragen, um den Hinterhof zu retten. Damit wird nicht nur innerhalb der Serie die Komplexität der Handlungsverläufe gesteigert. (Schließlich soll das progressive Serienkonzept ja auch Ricos Entwicklung entsprechen. Es rollen ja auch nur noch vereinzelte Bingokugeln herum statt sich gleich in großer Menge in der Kopf-Trommel zu drehen …) Es müssen auch Oskars Erlebnisse erzählstrategisch schlüssig mit Ricos Ich-Erzählung montiert werden. Andreas Steinhöfel nutzt einen Kunstgriff: Rico lässt sich von Frau Dahlings Reiselektüre anregen und schafft einen Roman im Roman im Stil von Hedwig Kurzmaler. Die eigentlich einen viel komplizierteren Doppelnamen hat und deren Werke „mit vornehmer Sprache und edlen Figuren“ erzählt sind. Dem entsprechend wird für „Oscars kapitale Abenteuer“ ein historisierendes Setting geschaffen, in dem Federico d’Oretti in süffiger Sprachgebung heldenhaft versucht, „Magdalene von Pommery, der gefürchteten roten Gräfin, einen bis dato brachliegenden Flecken Landes in der Tempelhofer Vorstadt abzuschwatzen“. Aus Oscar Dörings „bekümmerter Seele weicht“ ob dieses Alleingangs „gleichsam alle Farbe“. Peter Schössow begleitet die mühevollen Verwicklungen mit einer Transformation der handelnden Figuren in Sujets des frühen 20. Jahrhunderts und schreibt seinen Bildern zahlreiche Filmzitate ein: Mit einer wohlbekannten Litfaßsäule aus „Emil und die Detektive“ schließt er den Kreis der Erzähltradition, in der Rico und Oskar entstanden sind; und verweist am Ende darauf, dass wunderbare Freundschaften ihren Beginn oft dort haben, wo man es nicht vermutet hätte. Das gilt natürlich auch für Rico und Oskar, deren ganz besondere Freundschaft das Vertrauen schafft, dass ein Herbstgewitter auch eine klarere Sicht auf sich selbst und den anderen bewirken kann. Selbst Frau Courths-Mahler wäre vor Neid ein wenig erblasst im Angesicht der Versöhnungsszene, die jener der Entzweiung an hochemotionaler sprachlicher Direktheit um nichts nachsteht und das (nunmehr wieder schlagende) Herz wärmt. Da lässt man doch glatt auch einmal die Verführung durch Windbeutel mit Erdbeersahnefüllung Verführung sein, um feste zu drücken. Oder um sich einfach nur daran zu erfreuen, mit wie vielen herzerfrischenden kinderliterarischen Anspielungen Andreas Steinhöfel seinen Leser_innen ein letztes Rico- und Oskar-Farewell mit auf den Weg gibt. (Ich sage nur: Edith und Enid Burnett. Ich sage nur: Hexenkinder.) Ja, es ist Herbst. Aber ist der Herbst nicht die wunderbarste aller Jahreszeiten?


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Serie / Reihe: Rico und Oskar 5

Personen: Steinhöfel, Andreas Schössow, Peter

Steinhöfel, Andreas:
Rico Oskar und das Mistverständnis / Andreas Steinhöfel. Mit Bildern von Peter Schössow. - Hamburg : Carlsen, 2020. - 331S. : Ill. - (Rico und Oskar; 5)
ISBN 978-3-551-55783-4 fest geb. : EUR 16,50

Zugangsnummer: 2022/0363 - Barcode: 00008955
Kinderbücher für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren - Signatur: STEI - Buch