Im Alter wird das Leben noch einmal durchgespielt und wiedererweckt, ehe dann der Tod alle Eigenerinnerungen fragmentiert und das Leben als Erinnerung auf die Hinterbliebenen aufteilt. Laura Freudenthaler erzählt im Roman "Die Königin schweigt" von einer Frau, die ihre Biographie selbst durchdämmert, während sie das angebotene Notizbuch weiß und schriftlos liegen lässt. Die unzähligen Kleinkapitel beginnen immer mit einem Fanny-Satz, die Heldin Fanny unternimmt etwas, sagt etwas oder führt einfach ein Stück Leben. Eingekreist ist dieser Zustand von jener Sequenz, wo sich Fanny früher eine Tasse Kaffee gekocht und die Zeitung von der Haustür geholt hat, am Schluss schaut sie auf das Wohnzimmerfenster, durch welches Nachtluft hereinkommt, und atmet, aber die Geschichte ist vorbei. Dazwischen gibt es eine stille Biographie zwischen Alltäglichkeit und Verschwiegenheit. Fanny lebt wie selbstverständlich zuerst am Dorf, später in der Kleinstadt und schließlich für kurze Momente in der Hauptstadt. Dabei bleibt die Sicht auf die Welt passiv, "seinesgleichen geschieht", könnte man mit Musil sagen. Plötzlich ist alles still, weil das Land im Kriegszustand ist, dann kommt ein Lehrer und bittet sie zur Frau, der Elternhof wird verkauft, der Lehrer wird immer rabiater und eines Tages ist ein Sohn da, um den sich Fanny seltsam glanzlos kümmert. Dieser hat dann eines Tages eine Tochter, und das Enkelkind nimmt Kontakt auf und transformiert das Leben der Fanny stillschweigend zu einem Roman. Zum sechzigsten Geburtstag gibt es im Oberförsterhaus einen Braten und eine Beziehung zum Oberförster. Aber alle Männer verlassen die Geschichte still und in einem Nebensatz, die meisten dadurch, dass sie einfach tot sind. Das große Thema nämlich ist die Erzählweise, der Stoff wird in kleinen Partikeln angeboten und der Leser muss diese selbst zu einer Biographie zusammensetzen. Es ist nämlich der Körper, der durch das Verdämmern erzählt. (28) Zwischen Dahindösen, Altwerden, und Wachsein treten die erinnerten Zustände hervor. Erst jetzt, in der stummen Abrechnung wird das Leben ruhig und richtig. Die Königin schweigt dabei und schaut der eigenen Verwesung und Verfestigung als Erinnerungsstück zu. Laura Freudenthaler bringt mit dem Roman diese Unsterblichkeit zum Schwingen, die in der Literatur manchmal durch Ausstopfen oder Zur-Schaustellung der Helden (Vitrinisierung) angesprochen wird. Die Königin ist unsterblich, so lange Fanny zwischen den Buchdeckeln atmet, dann liegt es am Leser, sie am Leben zu halten. Beim letzten Wort des Romans nämlich hat Fanny noch geatmet. - Eine wundersame Erzählmethode, um den Tod auszutricksen. Helmuth Schönauer
Personen: Freudenthaler, Laura
Freudenthaler, Laura:
¬Die¬ Königin schweigt : Roman / Laura Freudenthaler. - Graz : Droschl, 2017. - 206 S.
ISBN 978-3-9905900-1-0 fest geb. : € 20,00
Belletristik für Erwachsene - Signatur: DR FREU - Buch Dichtung