Gelungener Erstlingsroman zum Altern in unserer Gesellschaft. (DR) Johannes Kehr, 91, hat sich entschieden: Er ist der Meinung, dass er in seinem Alter mit seiner seit dem Tod seiner Frau durchschlagenden Misanthropie der Familie nicht mehr zumutbar ist, besonders nicht seiner geliebten, nunmehr schwangeren Enkelin Sophie. Also geht er ins Altersheim, mit der - von ihm beabsichtigten, aber durchaus falschen - Diagnose "fortschreitende Demenz". Die LeserInnen dieses Erstlingsromans des schweizerisch-französischen Schriftstellers Frédéric Zwicker, dessen Zivildiensterfahrungen in einem Pflegeheim deutlich durchschlagen, können an Kehrs scharfsichtigen Beobachtungen Anteil nehmen. Kehrs Betrachtungen zum Leben in einem Pflegeheim, diesem "Wartezimmer des Todes", zu den verschiedenen Ausprägungen von Altersdemenz und den Zwängen und Nöten des Pflegepersonals, zur Außenseiterfunktion der Alten in unserer Gesellschaft sind lesenswert. Ebenso die Auseinandersetzungen mit den Erinnerungen eines langen und zeitweise sehr schweren Lebens von der harten Kindheit über den traumatischen Verlust des erwachsenen Sohnes durch Selbstmord und den Tod der nicht heißgeliebten, aber vertrauten langjährigen Ehefrau. Ganz nebenbei gelangt man bei der Lektüre in den Genuss von Kehrs schwarzem Humor, verfolgt seine diversen subversiven Streiche und kleinen Racheaktionen an besonders unangenehmen Heiminsassen (z.B. die Brille verstecken) und erhält Einblick in seine letzte späte Liebe (als Kehrs Jugendliebe in dasselbe Heim kommt). Der Roman besticht durch den Wechsel zwischen der Sicht des Protagonisten und der Außensicht (Beobachtungen des Pflegepersonals). Ein trauriger und dabei doch humorvoller, moderner Schelmenroman mit Tiefgang. Sehr empfehlenswert.

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Personen: Zwicker, Frédéric

Schlagwörter: Demenz Erfahrungen im Pflegeheim

Interessenkreis: Demenz Altern