Rowell, Rainbow
Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow
Buch

Es ist kompliziert: Vor 20 Jahren ist Joanne K. Rowlings Harry Potter erschienen und mit der Buchserie gelangte auch ein (pop-)kulturelles Phänomen in eine breitere Öffentlichkeit: Fan Fiction, also die Fort- und Weiterschreibung literarische Werke durch ihre (jugendlichen) Fans. Der Roman „Fangirl“ von Rainbow Rowell bezieht sich auf eben jenen Hype und erzählt von der Jugendlichen Cath, die erfolgreich Fan Fiction im Internet veröffentlicht – zu der erfolgreichen fiktiven Romanserie „Simon Snow“. Simon Snow wiederum kommt als deutlich erkennbare Referenz auf Harry Potter nicht nur in Textfragmenten in „Fangirl“ vor, sondern erschien mittlerweile auch als eigenständiger Roman: „Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“ ist Rainbow Rowells Versuch, ihrer erfundenen Figur eine eigene Geschichte zu geben. So sind aktuell zwei Romane bei zwei Verlagen erschienen, die in Kombination konsumiert ein ausgefallenes Lesevergnügen bieten. Da „Fangirl“ kurz vor Erscheinen des letzten Bandes der „Simon Snow“-Reihe spielt, stellt „Aufstieg und Fall“ tatsächlich einen letzten Band dar, dessen Vorgängerbände aber nie erschienen sind. Trotzdem funktioniert der Text – unabhängig von seiner angedeuteten Vorgeschichte, unabhängig von seinem großen Vorbild und unabhängig von seiner literarischen Geburtsstätte in „Fangirl“. Der Plot ist vertraut: In seinem letzten Schuljahr an der Zaubererschule Watford muss sich der Waise Simon – der Auserwählte – unter den Fittichen des Schulleiters nicht nur mit seiner unkontrollierbaren Zauberkraft auseinandersetzen, sondern auch mit dem „Hinterhältigen Schatten“, den er einer Prophezeiung nach besiegen soll. Der Bedrohung gegenüber steht das heimelige Gefühl in Watford, das über die Schuljahre hinweg zu seinem Zuhause geworden ist – trotz seines ihm durch ein magisches Ritual zugeteilten Zimmernachbarn Baz, einem zynischen Vampir mit Augen in der Farbe von „nassem Asphalt“ … Die scheinbare Antipathie der beiden Jungen deutet Rainbow Rowell in eine multiperspektivische Liebesgeschichte um. Und folgt damit einer populären Ausrichtung von Fan Fiction: sogenannter Slash Fiction, in der homosexuelle Beziehungen zwischen Charakteren entwickelt und romantisch auserzählt werden. Cath, die Protagonistin aus „Fangirl“ schreibt eben jene Slash Fiction zwischen Simon und Baz und verliert sich gerne in dieser geborgten Welt. Vor allem als sie aufs College kommt und ihre Zwillingsschwester ganz andere Prioritäten entwickelt als die introvertierte Cath, die sich in ihrem Zimmer zurückzieht und sich nicht einmal mit einer neuen Situation wie dem Besuch der Mensa konfrontieren kann. Ihre notwendige Entwicklung ist aufgelegt – behutsam eingeleitet von einem Fortgeschrittenenkurs in kreativem Schreiben und durch Levi, der sich in ihr Zimmer und damit in ihr Leben schleicht und nicht mehr geht. Auf die Initiationsfrage „Hast du Simon Snow gelesen?“ kann der blonde Sunny Boy nur antworten: „Ich habe die Filme gesehen.“ Und so liest Cath ihm nächtelang ihre Texte vor, bis sie erkennt, dass sie letztlich ihre eigene Geschichte schreiben muss, um aus sich heraus zu wachsen. „Fangirl“ hat alle Stärken und Schwächen des Genres, das es beschreibt: Starke, romantische und pointenreiche Einzelszenen – und einen Mangel an Kohärenz, driftet der Roman doch bisweilen in Geplänkel ab. Das literarische Nebenprodukt „Aufstieg und Fall“ scheint „Fangirl“ diesbezüglich zu überflügeln: Obwohl fast jedes Motiv, jede Figur ihr Äquivalent in Harry Potter findet, und aus dieser Deckungsgleichheit auch Komik resultiert, schafft es die Autorin mit genau dieser Erwartungshaltung der Leser_ innen zu spielen. Simon Snow begeistert als „eine Art Amalgam aus und ein Nachkomme von hundert anderen ausgedachten Auserwählten“ (Nachwort) mit der Variation bekannter Motive ebenso wie mit eigenständigen Ideen: Etwa die Etablierung von Magie durch Rhetorik (so sind die Zaubersprüche gut genutzte „Redewendungen“ wie „Have a break, have a Kit-Kat“) oder den durchaus kritischen Blick auf ein Leben mit Zauberei. Der Roman ist erwachsener und pragmatischer als vergleichbare phantastische Texte, schließlich ist Rainbow Rowell in diesem Genre auch nur zu Besuch. Und doch gelingt ihr die Aktivierung von Wissen aus imaginierten Vorgängerbänden besser als so manch anderem tatsächlichen Fantasy-Fortsetzungsband. Wie die Autorin es schafft, eine ganze Schullaufbahn und sieben andere Abenteuer nur durch Anmerkungen zu implizieren, ist äußerst findig. Anspielungen, die sowohl in „Aufstieg und Fall“ als auch in „Fangirl“ fallen und die die beiden Romane damit zu einem klugen Lehrstück über Fiktion machen (übrigens egal, in welcher Reihenfolge man sie liest). Siehe weiters: Rainbow Rowell: Fangirl


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Personen: Rowell, Rainbow

Rowel

Rowell, Rainbow:
Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow / Rainbow Rowell. Aus dem Engl. von Brigitte Jakobeit. - München : dtv, 2017. - 507 Seiten
ISBN 978-3-423-64032-9 fest geb. : ca. € 20,60

Zugangsnummer: 2018/0033 - Barcode: 2-1110341-5-00032833-3
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