Aus der Perspektive eines Grundschulkindes schildert die Ich-Erzählerin die Zeit, in der die Ehe der Eltern zerbricht. Die meisten Abschnitte kommentiert sie mit ihrem Erwachsenenwissen, oft mit psychologischen Deutungen. Die Familie lebt in einem kleinen Hunsrückörtchen im Hause der Eltern des Vaters, die einiges an der Schwiegertochter schlesischer Abkunft auszusetzen haben. Beim Ehemann manifestiert sich die unbewusste Ablehnung am Gewicht seiner Frau, die ständig Diäten erfolglos ausprobiert. Er strebt danach, aus dem kleinbürgerlichen Milieu auszubrechen, und tituliert seine Frau immer wieder als sein größtes Hindernis. Sie nimmt gegen Widerstände ihre pflegebedürftige demente Mutter auf und kümmert sich noch dazu um eine Enkelin der Schwester der Schwiegermutter. Zudem bereiten ihr eine zweite Schwangerschaft und die Versorgung des Neugeborenen Schwierigkeiten, ohne dass ihr irgendjemand aus dem Familienverband zur Seite steht. Als sie nach dem Tod ihres Vaters ein beträchtliches Vermögen erbt, baut der Ehemann ein großes Eigenheim und versucht sich erfolglos in beruflicher Selbstständigkeit. Der Roman endet mit dem Abschied des Pflegekindes, das es ganz lakonisch auf den Punkt bringt, wie sehr es die Mutter mag und wie verhasst ihm der Vater ist. - Der Roman beschreibt eine für die 70er/80er Jahre nicht untypische Familienkonstellation: Einerseits das Streben nach materiellen Gütern und Selbstverwirklichung beim Mann, auf der anderen Seite die Frau, die trotz qualifizierter Ausbildung dazu vergattert wird, ganz für die Familie aufzugehen. Sie sucht sich einen Ausgleich zu den übermäßigen Anforderungen, indem sie heimlich Süßigkeiten en masse futtert. Lesenswert.
Personen: Dröscher, Daniela
Drösc
Dröscher, Daniela:
Lügen über meine Mutter / Daniela Dröscher. - 1. Auflage. - Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2022. - 448 Seiten ; 20.9 cm x 13.5 cm, 467 g
ISBN 978-3-462-00199-0 Festeinband : EUR 24.00
Schöne Literatur - Buch