Unter dem neuen Label der Tigerente erscheinen starke Radiohörspiele der letzten Jahrzehnte. Sie haben aber unterschiedliche Qualität. Zu den besten gehört "Milo", der spannende Krimi um verschwundene Straßenkinder und einen wiedergefundenen Vater. (ab 10) Der Audio Verlag hat ein neues Label geschaffen, um gute Radiohörspiele der letzten Jahrzehnte auf CD und MC günstig an die Kinder zu bringen. Das Angebot ist vielfältig, umfasst Gruselgeschichte, historischen Krimi, gekürzte Weltliteratur, Märchen, Adventsgeschichten und richtet sich mal an Kinder ab 4, mal ab 8 oder 9. Das ist höchst erfreulich angesichts der vielen (oft aus Kostengründen) nur gelesenen Hörbücher. Am Start stehen 10 Hörspiele von "Pinocchio" bis "Caius ist ein Dummkopf". Es lohnt aber ein Blick hinter die Tigerenten-Kulisse, denn entgegen der einheitlichen Aufmachung mit ärgerlichen, weil meist inhaltlich falschen Covern von Janosch variiert der Spaß- und Spannungsfaktor beträchtlich. "Don Quijote" etwa hat die gleichen Mängel wie die zugrunde gelegte Nacherzählung von Jürg Schubiger (vgl. 1001 Buch 1|04) und in Nigel Hintons "Hände weg vom Spukpaket" fällt die Spannung durch ständige Wiederholungen und einfallslose Dramaturgie flach. Schwierigkeiten in zweifacher Hinsicht bereiten die Alterszuweisungen. Einerseits bei der Auswahl, denn es ist nicht einzusehen, warum etwa "Adrian und Lavendel", Albert Wendts zarte und sehr schön umgesetzte Geschichte vom Märchendichter und der kleinen Dampfwalze, erst ab 6 empfohlen wird. Andererseits wurden einige Hörspiele einer der Buchvorlage gegenüber jüngeren Zielgruppe angepasst. So ist "Oliver Twist" zwar eine klasse Inszenierung (von 1957), aber ähnlich einer Walt-Disney-Verarbeitung derart "kindgerecht" gekürzt und verdreht, dass vom Original nicht mehr viel zu spüren ist. Das vielleicht stärkste Hörspiel dieser Startformation ist "Milo und die Jagd nach dem grünhaarigen Mädchen" (Rezension in 1001 Buch 2|00 und unter www.rezensionen.at) Mit Top-SprecherInnen wie Axel Milberg und Felix von Manteuffel, tollen Kinderstimmen sowie perfekt geschnittener Musik- und Geräuschkulisse geht es um Milo, den wohlbehüteten und -erzogenen Fabrikantensohn und Bahnengolfspieler, der von einem Wolf in die Großstadt gelockt wird. Dort sieht er, wie zwei Männer ein Mädchen mit grünhaarigem Irokesenschnitt entführen wollen, was aber ein Junge mit Skate-Einkaufswagen gerade noch vereitelt. Als Milo sie später noch einmal halbtot wiedersieht, verspricht er ihr, sie zu retten. Aber nicht nur seine Mutter und sein Stiefvater haben was dagegen, auch der Polizeichef und die zwei Männer, die offensichtlich dabei sind, die Stadt von Straßenkindern zu säubern. Aber in wessen Auftrag? Und zu wem halten die vier Ketchupbomber? Wer ist der Penner mit dem langen Bart, der den Wolf geschickt hat, und was ist mit dem Einkaufswagenskater los? Höchste Spannung, beste Unterhaltung und eine für Kinderbücher ungewöhnlich starke Gesellschaftskritik verweben sich hier. Aber für Kinder ab 8 ist das sicher nicht! Zwar ist die Hörspielfassung gegenüber dem Buch "verkindlicht": Milo ist zehn statt zwölf, die Verfolgungsjagden sind abgemildert, die schönen Liebesszenen fehlen - aber aus den Straßenkindern werden trotzdem durch Gehirnwäsche menschliche Puppen für Leute wie den korrupten Polizeichef! Immerhin gewinnt das Stück durch die Raffung der Handlung und die im Gegensatz zum Original doch noch gelingende Entführung des grünhaarigen Mädchens. Hingegen verliert hier die eigentlich zentrale Vater-Sohn-Geschichte stark an Gewicht. Für sich betrachtet ist es ein klasse Hörspiel, das nur ab und zu etwas unwahrscheinlich wirkt. Eindringlicher empfohlen sei also das Buch (dtv Reihe Hanser 2002, ausgezeichnet mit dem "Martin") zur vollständigen und in sich stimmigeren Lektüre.

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Personen: Herfurtner Rudolf Herfurtner, Rudolf