Eine eifersüchtige Ehefrau, das Faible ihres Gatten für Montaigne und die auf den Plan tretende Staatssicherheit sind die Ingredienzien für eine Komödie der Irrungen in der ehemaligen DDR, wie sie geistreicher und witziger nicht erzählt werden könnte. (DR) Barthold sieht seiner Frau Margarete Helene dabei zu, wie sie mit einer Axt den Schuppen im Garten zu Kleinholz macht. Dabei kommt ein vergilbter Büstenhalter zum Vorschein. Wem der wohl gehört hat? Als Margarete Helene wenig später in einer Schublade ihres Mannes eine Postkarte mit Zeilen einer Elfi entdeckt, die auf eine gewisse Vertrautheit schließen lassen, ist ihr Argwohn geweckt. Barthold versichert jedoch, dass das eine Affäre war, die lange vor ihrer Eheschließung beendet wurde. Die Erleichterung der misstrauischen Gattin währt allerdings nur kurz. Als sie bei weiteren Gartenarbeiten einen großen Knochen entdeckt, stockt ihr der Atem. Könnte es möglich sein, dass Barthold Elfi beseitigt hat? Sie nimmt das Corpus Delicti an sich und fragt ihren Gynäkologen nach der Untersuchung, ob er es einer Spezies zuordnen könne. Der Arzt tippt auf Schwein, ist jedoch nicht ganz sicher. Er behält den Knochen und versichert seiner Patientin, dass er ihr nach eingehender Prüfung Bescheid sagen wird. Mittlerweile überlegt Barthold, was er seiner Frau zum bevorstehenden vierzigsten Geburtstag schenken könnte. Schließlich beschafft er sich unerlaubterweise Westgeld und betritt einen Intershop, wo er zunächst einmal Schlange stehen muss. Dabei kommt er mit einem Mann ins Gespräch und lässt sich dazu hinreißen ausführlich seinen Lieblingsphilosophen Montaigne zu zitieren. Als sein Gesprächspartner plötzlich ganz sonderbar dreinschaut, dämmert ihm, dass das wohl unklug war, sind doch Montaignes Ansichten über den Staat auch im 20. Jahrhundert und noch dazu in der DDR durchaus als subversiv zu betrachten. Tatsächlich nimmt das Schicksal seinen Lauf. Ein paar Tage später steht ein Mann von der Stasi vor der Tür und fragt Barthold, ob er Kontakte mit Ausländern (Staatsfeinden!) hat, zum Beispiel mit einem gewissen Mohnteine? Nun fällt Barthold ein Stein vom Herzen. Gewiss wurde der bereits vor 400 Jahren verstorbene Montaigne für einen verdächtigen Zeitgenossen gehalten. Und schon eilt er zu seinem Nachttisch, auf dem die Essays griffbereit liegen um sie dem strengen Stasi-Mann zu zeigen. Doch oh Schreck, da sind sie nicht. Margarete Helene hat sie in einem Eifersuchtsanfall entsorgt... Günter Kunert hat diesen hinreißenden Roman vor über fünfundvierzig Jahren geschrieben, aber nie veröffentlicht. Nun hat er das Manuskript durch Zufall wieder gefunden und zum Glück für Leser_innen und Leser ist "Die zweite Frau" jetzt in Buchform erhältlich. Es ist unglaublich, dass ein Roman, der vor so langer Zeit geschrieben wurde, nichts von seinem Witz und seiner Frische verloren hat. Wer eine Lektüre sucht, bei der man wirklich Tränen lacht und die noch dazu so viel Esprit hat, dem sei dieser schmale Roman wärmstens empfohlen.
Personen: Kunert, Günter
Kuner
Kunert, Günter:
¬Die¬ zweite Frau : Roman / Günter Kunert. - Göttingen : Wallstein Verl., 2019. - 200 S.
ISBN 978-3-8353-3440-3 fest geb. : 20,00 EUR
Schöne Literatur - Buch