Auszug: Ich war noch Lehrling, aber ein ansehnlicher strammer Kerl. Meine Lehrzeit diente ich ab in einem Tuch- und Manufakturwarengeschäft. Tagtäglich kamen Reisende zu uns, gute und auch recht wenig verläßliche. Schließlich traute ich es mir zu, von vornherein zu beurteilen, ob der oder jener ein Geschäft oder eine ?Pleite? machen werde. Mein Chef war einer der alten Schule. Er hatte vor nichts mehr Respekt als vor einem überfüllten Lager. So hörten selbst die Reisenden bekannter Häuser seine ständige Redensart: ?Ich bin mit allem versehen, diesmal brauche ich wirklich nichts.? Trotzdem kam es zu manchem guten Geschäft für die Reisenden. Ich mußte oft Muster, die zurückgeblieben oder die zu einer engeren Auswahl zurückgelassen worden waren, nach dem Hotel tragen, das die Reisenden beherbergte. Wie gut die es hatten! Setzten sich an die ?reichbesetzte Tafel?, tranken, rauchten, spielten Karten und ließen, wie man daheim zu sagen pflegte, den lieben Gott einen guten Mann sein. Damals schon stand es bei mir fest: Ich wollte Reisender werden. Im Geiste sah ich mich dann schon mit großen Koffern durch die Welt streifen. Natürlich verdiente ich auch recht viel Geld und ließ es mir wohl sein, ? in Gedanken natürlich!
Zum Download / Zur Anzeige
Weiterführende Informationen
Personen: Kaestner, Gerhard
Kaestner, Gerhard:
Vom Reisen und Reisen lassen : OTB eBook publishing, 2024. - 150 S.
ISBN 9783989730809