Rezension: "Drei durch dick und dünn" ist bewährtes Wortmaterial: Die drei macht sich im Anklang an Hitchcocks Erfolgsfabrik "Die Drei ???" gut im Titel einer Krimiserie; Tantchen, das dem Neffen was Spannendes mitbringen will, merkt den Schummel gar nicht. Die Wendung durch dick und dünn ist jedem Kind geläufig und lässt ein wohliges Schwelgen in treuester Freundschaft erwarten, was nicht enttäuscht wird. Die Fälle in Jörg Hagemanns Serie löst das Trio allerdings mit vergleichsweise überschaubarem Nervenkitzel und vor allem ohne Grusel, denn sie sind in der Kleinkriminalität angesiedelt (Diebstähle oder Haustierentführung). Selbst der zweite Band mit dem Wort Gruselgeister im Titel ist beinahe ungruselig, weil gleich klar ist, dass ein intrigierender Mensch hinter dem Spuk steckt . Den todesmutigen, omnipotenten Helden seiner Genrekollegen stellt Hagemann also schlaue, aber nicht zu schlaue Kinder gegenüber. Mit von der Partie, zumindest gegen Ende, ist auch meist die Polizei, zwar traditionell rührig einfältig gezeichnet, aber immerhin ganz Freund und Helfer. Die moralische Blütenreinheit der Protagonisten, in deren Namen sie detektivisch unterwegs sind, hat ja bereits seit Kästner Konjunktur. Ebenso die komplementäre Charakterzeichnung der Bandenmitglieder: Da haben wir den sportlichen und pfiffigen Alpha-Typen Markus, die noch pfiffigere Maria mit frecher Klappe aus reichem Hause, jedoch sozial umsichtig wie ein gutes Mädchen, und schließlich die schmächtige, hirn - und tüftelbegabte Brillenschlange Karl aus sozial schwacher Herkunft (hat es je eine gemischtgeschlechtliche Detektivbande gegeben, die mehr Mädchen als Jungen zählt? Freche, mutige Mädchen sind in der Kinderliteratur offenbar immer noch was Singuläres.). Das markanteste an der Serie, die sprachlich fad daherkommt, indem sie keine Floskel auslässt, ist ihr Einstieg: Karl wird als Klassenneuling wegen seiner altmodischen Tracht sofort zum gehänselten Außenseiter. Unter Markus' Führerschaft verfolgen die Kinder ihn bis nach Hause und werfen seine Fensterscheibe ein. Karl traut sich nicht mehr in die Schule. Maria fasst sich ein Herz und besucht Karl. Da ihm auch noch, Fall eins, die Entführung durch eine Motorradgang droht, überredet Maria Markus, der bis dato ihr Erzfeind ist, Karl zu helfen. Markus entschuldigt sich bei Karl und die drei werden Detektivfreunde fürs Leben. Seitdem gibt es von ihnen immer was zu Lernen (Frau Lehrerin möge die Bände also im Klassensatz bestellen): über kameradschaftliches Verhalten, Tierschutz, Antirassismus oder Mildtätigkeit. Um die Spannung als solche kann es Hagemann nicht gehen, denn wenn etwa der Titel "Der falsche Verdacht" nicht schon verraten würde, dass dem türkischen Jungen der Fahrradklau zu unrecht in die Schuhe geschoben wurde, legt der Autor dies durch die eindeutige Zuordnung seiner Figuren in Sym- und Antipathen nahe. Und der Dieb ist natürlich immer der Antipath. Das Kombinieren der kriminellen Fakten geht beschaulich vonstatten. Die Vermutung, dass die Leserinnen und Leser, gewollt oder ungewollt, den Helden dabei stets einen Tick voraus sind, drängt sich angesichts der Simplizität der Fälle auf. Im jüngst erschienenen Band "Das gestohlene Weihnachtsfest" opfern Maria und ihre Freunde den Kindern im Armenhaus nicht nur ihre Süßigkeiten. Auch lädt Marias reicher Vater die ganze Armenhausbesatzung zum rauschenden Fest in die Villa ein. Der Autor zieht die Grenze zwischen den Gesellschaftsschichten rein materiell. Weder neiden die Armen dem großzügigen Bankbesitzer seinen Pomp, noch zeigt dieser Bedenken ob der "lumpigen" Gesellschaft in seinem Wohnzimmer, ist vielmehr die Mildtätigkeit in Person. Dass mit so einer tragenden Eigenschaft keine Bank erfolgreich zu führen ist, enthält der Autor seiner jungen Leserschaft vor. Die Frage "arm oder reich" erscheint damit schicksalsgegeben und verfälschend verkürzt, eine derart simple und eindeutige Moral insgesamt fragwürdig. Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut.
Serie / Reihe: Drei durch dick und dünn
Personen: Hagemann, Jörg Schedl, Rudi
Standort: Schule
JE Hag
Hagemann, Jörg:
¬Das¬ gestohlene Weihnachtsfest / Jörg Hagemann. Ill. von Rudi Schedl. - Wien : Ueberreuter, 2003. - 96 S. : Ill. - (Drei durch dick und dünn)
ISBN 978-3-8000-5011-6 fest geb. : EUR 7,95
JE - Kinder- u. Jugendlit