Holst, Evelyn
Gipfelglück
Buch

Längst hat sich der Tourismus-Roman in der Literatur etabliert. Während er eine Zeitlang als Gesellschaft- und Tourismuskritik angelegt war, wird er mittlerweile unverhohlen als Werbemaßnahme für die neuesten Trends eingesetzt. Zum Selfie am Gipfelkreuz stellen sich immer öfter Touristen auf, indem sie den aktuellen SPA-Roman der Gegend in der Hand halten. Das dokumentiert einerseits eine gewisse Belesenheit und dient andererseits als Testimonial für die Gegend. In manchen Lese-Ressorts gibt es daher mittlerweile Rabatte, wenn man vorgibt, lesen zu können. Evelyn Holst und Uschi von Grudzinski haben so etwas wie den alpinen SPA-Roman geschrieben. Am Beginn werden gleich die Sponsoren genannt, in diesem Falle ist das Ganze gepowered by Schultz-Gruppe im Ressort Kals am Großglockner. Mit dieser Offenlegung ist gleichzeitig auch schon der Inhalt, ja der Roman überhaupt erzählt. In drei, vier Handlungssträngen strömen gewisse Tourismus-typische Protagonisten mit viel Stau nach Kals, wo sich das Paradies auftut. Die Gegend ist so schön, dass man ruhig länger gestaut hätte, wenn man die Schönheit schon bei der Anfahrt erahnt hätte. In der Lobby treffen alle diese seltsamen Heldinnen und Helden zusammen, die es im Leben geschafft haben, denn sonst könnten sie sich diese Wellness-Tour nicht leisten, und ohne SUV schafft man die Anreise sowieso nicht. Alles ist voller einstudierter Herzlichkeit, die Gäste werden bei ihrer Eitelkeit genommen und bewundert, egal wie deformiert oder degeneriert sie sind. Anhand der Überhelden Monika und Hans Peter Landmann wird der Betrieb des Hauses vorgestellt, das Fressen und Saufen rund um den SPA erreicht locker Dimensionen eines riesigen Weltprospektes, der mit heimischen Produkten durchsetzt ist. Während Hans Peter ziemlich eingerostet und faul ist, immerhin dilettiert er gerade an einem Krimi, den er entlang des Pools zu verfassen gedenkt, ist Monika Tag und Nacht unterwegs und übernudelt gleich am ersten Tag einen Bergführer, dem noch vom Vortag übel ist. Kals wie es im Ressort leibt und lebt! Ein bisschen Ungemach kommt auf, als der abgesungene Schlagerstar Viktor Gold mit seiner Partnerin in der Senioren-Loft eincheckt. Es genügt eigentlich die Berufsbezeichnung abgetakelter Sänger, um die ganze Dramaturgie mit einem Puff aus dem Sack zu lassen. Die sogenannte Göre Leonie nörgelt auch durch die Gegend, sie muss auf offener Bühne pubertieren und wird mit allerhand Tricks in die Vorteile des Ressorts eingeschult. Eigentlich ist alles ein Gipfelglück, wiewohl noch keiner bestiegen ist, zumindest träumen alle vom Großglockner, ehe sie mit einem Lächeln einschlafen. (30) Grob gesprochen läuft es jetzt wie in einem Hotelroman ab, jeder hat ein Schicksal und je mehr er sich erholt, umso eher kommt die Arschkarte hoch, weil man sich ja nirgendwo so sehr auf den Keks geht wie im Ruhestand. In diesem voll klimatisierten Klischee-Ressort kommt auch Osttirol gut weg, nämlich als Klischee und Randerscheinung. Gerade weil dieser Roman so nichtssagend ist, ist er eine gute Quelle für die Erforschung jener Relax-Gesellschaft, die mittlerweile bis knapp an den Rand der Naturschutzgebiete herangekrochen ist. Helmuth Schönauer


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Personen: Holst, Evelyn

Schlagwörter: Unterhaltung

Interessenkreis: Unterhaltung

Holst, Evelyn:
Gipfelglück. - Hamburg : Atlantik, 2017. - 271 Seiten
ISBN 978-3-455-65146-1 Broschur : EUR 15,99

Zugangsnummer: 2017/0197 - Barcode: 228200078593
Schöne Literatur - Signatur: Holst - Buch