Einer, dem man nichts recht machen kann. (DR) Der Schauspieler Gstrein (Künstlername Jakob Thurner) schreibt vor dem 60er seine Biografie. Er stellt sich zunächst als "blassen Zeitgenossen" hin, jedoch wird deutlich, dass er zwar Frauenmörder nur spielt, aber seine weibliche Umgebung auf Distanz bedacht ist. Bei einem Dreh ist die Verstrickung in Gewalt gegenüber Frauen ebenso nahe wie die Berührung mit ihr, und schließlich wird er selbst handgreiflich. Ansonsten ist er eher auf Distanz durch die Macht seines Geldes bedacht und versucht, sich die anderen durch Arroganz oder Desinteresse vom Leib zu halten. Der andere Strang ist die Parallele, die er zum ersten "gemeinschaftsschädigenden" Jakob, bekannt aus dem Debut "Einer" (1988), sieht: dieser flüchtet vor der Welt, zieht sich zurück, ist ängstlich ("Er hatte den Sinn für die Wirklichkeit verloren"), und auch der zweite Jakob flüchtet in den Alkohol, ist etwas todessehnsüchtig, möchte verschwinden. Mehrfach heißt es im Buch, dass er sich selbst nicht kenne, und auch in den Kapiteln der Autobiografie beschreibt er fast ausschließlich andere. Doch das Ende zeigt eine weitere Interpretationsmöglichkeit: Es ist nicht Flucht, sondern eher Selbstschutz, denn er halte Wärme nur aus, wenn er zuvor lange genug in der Kälte gewesen sei. Feine literarische Unterhaltung mit mehreren doppelten Böden.
Personen: Gstrein, Norbert
Gstrein, Norbert:
¬Der¬ zweite Jakob : Roman / Norbert Gstrein. - München : Carl Hanser Verlag, 2021. - 444 S.
ISBN 978-3-446-26916-3 fest geb. : ca. € 25,70
Schöne Literatur - Signatur: Gstre - Buch