Ein Baum allein auf weiter Flur und oben ein Nest. Im Nest, da tut sich was. Die Rabeneltern beobachten, wie sich krakelige Risse in den Eiern zeigen. Spitze Schnäbel durchbrechen grünliche Schalen, aus dem rosaroten Ei aber greift eine kleine Hand. So wird Rabenrosa geboren. Die Eltern nehmen die Kinder unter ihre Flügel und füttern fleißig in die weitaufgerissenen Schnäbel. Das kleine Menschenkind wächst und gedeiht wie seine gefiederten Brüder und Schwestern. Weil ihm immer so kalt ist, besorgt der Rabenvater ein Kleid und eine rote Mütze für sein Kind. Die Rabenmutter benennt es Rosa. Das Leben ist schön, oben im Rabenbaum. Die Vogelwelt aber verreißt sich die Schnäbel, starrt ins Nest und starrt auf Rosa, der so bewusst wird, dass sie anders ist als ihre Geschwister. Während ihnen Flügel und Federn wachsen, ihre Rabenstimmen rau und krächzig werden, erlebt Rosa, dass ihr nichts hilft so zu werden wie Rabenvögel eben sind. So lebt sie als Menschenkind weiter im Rabennest. Anders, aber angenommen und geliebt. Ihre Geschwister sind bereits flügge, als sie getragen auf den Flügeln ihrer Eltern in den Süden aufbricht. Dort gibt es einen neuen Baum, auf dem wieder ein Nest, in dem bald neue Rabengeschwister schlüpfen werden. Rosa kann zwischenzeitlich so gut klettern, dass auch sie Futter für die Jungen besorgen wird. Und Rudi, der Frosch aus dem See, wird ihr das Schwimmen beibringen. Als ihr neuer Freund sie fragt, was sie denn eigentlich für eine sei, sagt sie laut krächzend: „Ich bin die Rabenrosa!“ Und weil es ihr so richtig gut geht, malt sie sich auf dem Heimweg zum Nest detailliert aus, wie das am nächsten Tag sein wird, mit Rudi im Wasser beim Schwimmenlernen. Oben im Baum bei den Schwarzfedrigen, wo man es nicht vermutet, wird verständlich, dass Anderssein kein Grund zur Misere sein muss. Helga Bansch hat eine Parabel geschaffen, die uns deutlich und beschwingt zeigt, dass der Glaube an die eigenen Fähigkeiten Flügel verschaffen kann, insbesondere wenn man angenommen und geliebt wird. Rabenrosa ist eine hinreißende Protagonistin, die knallrote Baskenmütze ein keckes Symbol ihrer Ich-Stärke. Das Kind aus dem Rabennest lehrt, dass man auch als Anderer sein Selbstverständnis finden und leben kann, ohne seine Herkunft leugnen oder vergessen zu müssen. Rabenrosas Menschlichkeit macht sie in der Welt der Rabenvögel keineswegs zum Unglücksraben, vielmehr wird sie durch ihre Resilienz zu einer offenen und selbstbestimmten Persönlichkeit. Helga Bansch erzählt ihre Geschichte in kunstvoll gezeichneten und collagierten Illustrationen. In Ausschnitten und vielseitigen Perspektiven wird herangezoomt und Überblick geschaffen auf das Werden und Gedeihen dieses Kindes. Bildabfolgen zeigen, wie Rosa ihre Stimme rabengleich trainiert oder wie sie letztendlich grasgrün daherkommt, da sie zunächst die Ratschläge ihrer Umgebung befolgt, die Anpassung propagiert. Gelungen wird ins Bild gesetzt, wie die Vogelwelt mit dem Anderen umgeht und darüber redet. Helga Bansch bringt in ausdrucksstarken Bildern eine rabenrosa Leichtigkeit in den Tiefsinn der Geschichte, die in Wort und Bild berührt und aufzeigt, dass es gut tut man selbst zu sein. Ein Bilderbuch mit Glücksgefühl in Rabenschwarz und Rabenrosa. FOLDER ÖKJB-Preis 2016: Wie ihre Raben-Geschwister schlüpft das kleine Menschenmädchen aus dem Ei und wächst im Nest mit ihnen auf, frisst wie sie und krächzt wie sie – und fühlt sich wohl. Dass sie anders ist, merkt sie erst am Gerede von Käuzchen, Geier und Konsorten – und schert sich nicht drum. In warmen Rosa- und Schwarztönen und einer klugen Bildgestaltung erzählt Helga Bansch zärtlich die Geschichte der wunderbaren Rabenrosa, die sich nicht zur Außenseiterin machen lässt, sondern selbstbewusst und fröhlich ihre Eigenart annimmt.
Personen: Bansch, Helga
Bansch, Helga:
Die Rabenrosa / Helga Bansch. - Wien : Jungbrunnen, 2015. - [13] Bl. : überw. Ill. (farb.) ; 21,5 x 25,3 cm
ISBN 978-3-7026-5874-8 fest geb. : ca. € 14,95
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