Dass sie nicht weiß, worüber sie schreibt, kann man Kristina Aamand, die zwölf Jahre lang als Krankenschwester und Sozialarbeiterin für ethnische Minderheiten gearbeitet hat, nicht vorwerfen. Die Erfahrungen, die sie in diesen Berufen gesammelt hat, bilden die Grundlage für einen nicht nur inhaltlich dichten und plausiblen, sondern auch sprachlich eindringlichen und gestalterisch überzeugenden Debütroman. Von der Macht der Worte spricht nicht nur der Name der Protagonistin Sheherazade, sondern auch deren Leidenschaft für selbstgeschriebene und gezeichnete Zines, die von der Illustratorin Sune Ehlers als Collagen gestaltet und zwischen die Kapitel eingestreut wurden. Sheherazade wurde der Drang zum Schreiben in die Wiege gelegt, denn ihr Vater ist Schriftsteller. Doch seit er die Gräuel des Krieges am eigenen Leib erfahren hat, ist er verstummt und vom Produzenten zum schutzlos ausgelieferten Rezipienten geworden: Obwohl er mit seiner Familie schon vor zehn Jahren ins sichere Dänemark geflohen ist, kann der die Gräuel des Krieges keine Sekunde lang hinter sich lassen, sondern sieht sie sich pausenlos im Fernsehen an, bis ihn der Stress der Bilderflut mit Herzproblemen ins Krankenhaus bringt. Dort möchte Sheherazades Mutter auch ihre Tochter sehen, nicht als Patientin, sondern als Ärztin. Sheherazade besucht deshalb ein Gymnasium außerhalb ihres Bezirks, in dem viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Wegen ihres Kopftuchs gemobbt, ist sie auch noch aus einem anderen Grund verzweifelt: Sie hat sich in ein Mädchen verliebt und das bedeutet den Ausschluss aus der nach fundementalen Grundsätzen lebenden Gemeinschaft und die Verbannung in die Hölle. Während sich Sheherazade ihre Probleme, die eigentlich die Probleme der anderen sind, zumindest in ihren Geschichten von der Seele schreiben kann, sucht ein Mädchen aus der Nachbarschaft, das jung verheiratet und vom Ehemann misshandelt wurde, vergeblich nach einem Ausweg. Knallhart und behutsam zugleich schildert Aamand das von rigiden Regeln bestimmte Leben in dem arabisch dominierten Stadtviertel Parkerne. Dabei gelingt ihr das Kunststück, einerseits die Perspektive der Ich-Erzählerin einzunehmen und andererseits die Welt, in der jene lebt, in viele Winkel hinein auszuleuchten. Zwar wird dort jegliche Selbstbestimmung im Keim erstickt, doch hat sie Sheherazade zumindest bislang auch ein Zuhause geboten. In diesem Zuhause tun sich nun tiefe Risse auf. Zwischen Angst und Schuldgefühlen auf der einen und dem Wunsch nach Authentizität und Wahrhaftigkeit auf der anderen Seite sucht Sheherazade ihren eigenen Weg und findet dabei Unterstützung von einem, von dem sie es am wenigsten erwartet hat: ihrem Vater, dem Schriftsteller, der von den mächtigen Worten seiner Tochter an eine Zeit erinnert wird, in der man in seiner alten Heimat liberaler war als im heutigen Dänemark.
Altersempfehlung: ab 14 Jahren.
Medium erhältlich in:
45 KÖB St. Johannes Nepomuk,
Remagen-Kripp
Personen: Aamand, Kristina Brauns, Ulrike Ehlers, Sune
Aaman
Aamand, Kristina:
Wenn Worte meine Waffe wären / Kristina Aamand. aus dem Dän. von Ulrike Brauns. Mit Ill. von Sune Ehlers. - Hamburg : Dressler, 2018. - 271 S. : Ill.
Einheitssacht.:
ISBN 978-3-7915-0098-0 fest geb. : EUR 16,50
Romane und Erzählungen für Jugendliche ab 12 Jahre - Buch