In keinem Leben sollte er jemals fehlen, der rote Baum, von dem Shaun Tan in Wort und Bild in seinem gleichnamigen Bilderbuch erzählt. In Australien erschien Shaun Tans "frühes Meisterwerk", wie es zu Recht auf dem Klappentext heißt, bereits 2001. Über ein Jahrzehnt später darf sich nun endlich auch eine deutschsprachige Leserschaft über dieses Bilderbuch freuen. Was dieses Buch so außergewöhnlich macht, ist - neben der Tatsache, dass es bewusst die Genregrenzen sprengt - seine unerschrockene Ehrlichkeit, die tiefe Emotionalität und die unbändige visuelle Kraft, die von Tans Bildern ausgeht. Real und auch der kindlichen Lebenswelt zu eigen sind die tiefdunklen Gefühle des kleinen rothaarigen Mädchens, fantastisch durchzogen hingegen deren expressive und vielschichtige Visualisierung. Großformatige Bildtafeln, in denen Tan unterschiedliche Illustrationstechniken und -stile verbindet, fangen ein, wie sich die Kleine fühlt: Ein breites Spektrum von Traurigkeit, Einsamkeit und Depression breitet sich zwischen den Seiten aus. Die Dunkelheit senkt sich in Form eines überlebensgroßen weinenden Fisches zwischen den Häuserschluchten herab, durch die das kleine Mädchen einsam und mit gesenktem Kopf trottet. Isoliert und von der Außenwelt angeschnitten sehen wir es auf der nächsten Doppelseite zusammengekauert in einer leeren Glasflasche sitzen. Im seichten Wasser gestrandet brauen sich über ihr dunkle Gewitterwolken zusammen. "Manchmal beginnt der Tag ohne Aussicht auf etwas Schönes und es wird nur noch schlimmer, Dunkelheit senkt sich herab, keiner versteht dich, die Welt ist eine taube Maschine ..." Staunend, verständig und betroffen folgt man den klaren, kargen Worten, die den Bildern zur Seite stehen, taucht man ein in die überragende Bilderwelt Tans, die auf jeder Doppelseite neue Aspekte und Überraschungen bereit hält. Doch wer genau hinsieht und das kleine rote Blatt entdeckt, das sich im trüben Dunkel stets versteckt hält, ahnt, was das Ende des Buches enthüllt: Auch wenn die Welt noch so trostlos erscheint, ist sie doch immer da, die Hoffnung. Und am Ende ist es "genauso, wie du es dir vorgestellt hast". Grandios! *ag* Marlene Zöhrer

Altersempfehlung: ab 5 Jahren.

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Personen: Tan, Shaun

Schlagwörter: Antolin Klasse-6

Interessenkreis: Bilderbuch