"Die besonderen Umstände meiner Herkunft und die ersten drei Jahrzehnte meines Lebens macht5en die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik zum Haupterlebnis meines bewussten Daseins. Dieses Ereignis, dieses Grunderlebnis, nicht im dritten, fünften oder siebenten Jahr des Bestehens unserer Republik, sondern schon in ihrem Geburtsjahr (1949), machte mir nicht nur die durchlebte Zeit wägbar durch gültige Gewichte, sondern legte auch für die noch zu durchlebenden Zeiten Maß- und Gewichtseinheiten fest, nach denen jede Tat und jede Untat zu messen und zu wägen war - und bestimmze Ziele und Inhalte eigener Anstrengungen. Ohne mich auf gründliche Untersuchung stützen zu können, glaube ich, dass sich nirgens auf der Welt eine bessere Möglichkeit findet, nach solchen unerkannten Gesetzen zu forschen, die ein kleines Volk lebendig erhalten auch unter Verhältnissen, wie es unsere Verhältnisse waren: mitten im dichtbevölkerten Europa, inmitten eines anderen, auf einer hohen Stufe der Kultur und Zivilisation stehenden Volkes, über Jahrhunderte hinweg nur Objekt f4remder - im doppelten Sinne fremder - Mächte, bis zum Jahre 1945 im vollen Sinne des Wortes ein unfreies Volk, das heißt ohne die geringste politische Macht, mit der es seine nationale Existenz hätte regeln oder ordnen können. Diese Verhältnisse - und die nicht zu leugnende Tatsache, dass wir nach all diesen Jahrhunderten auch heute noch beitragen zum Schatz von Kultur und Kunst der Menschheit - wiederholen sich wohl in keiner Ecke der Welt."
Der sorbische Schriftsteller Jurij Brězan (1916-2006) erzählt in deutscher Sprache aus seinem Leben und trifft Aussagen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Sorben.
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Personen: Brězan, Jurij Brězanowa, Ludmila

Schlagwörter: DDR Schriftsteller sorbische Geschichte Biographie Jurij Brězan (1916-2006) Philosophie