Imaginäre Inseln, grauenvolle Seeungeheuer und sagenhafte Goldstädte - eine spannende Reise durch die Irrtümer der Kartographie. (GE) "Blond und rötlich" sollte sie sein, die geheimnisvolle Karibikinsel Bermeja, die der spanische Seefahrer Alonso de Santa Cruz 1539 auf einer Karte verzeichnete und die seither auf vielen offiziellen Seekarten aufschien. Ein Forschungsschiff der Universität Mexiko mit dutzenden Wissenschaftlern an Bord sollte die genaue Position kartografieren und fand - nichts. Man schrieb das Jahr 2009, die geheimnisvolle Insel hatte nie existiert. Dies ist nur eine der unglaublichen Geschichten, die Edward Brooke-Hitching für seinen "Atlas der erfundenen Orte" zusammengetragen hat. Es liegt schon ein ganz besonderer Zauber über alten Landkarten, beim Betrachten kann man in Gedanken an ferne Orte reisen und sich in den fremdartigen Ortsnamen und Illustrationen verlieren. Der Londoner Autor, Dokumentarfilmer und Sohn eines Antiquars, er bezeichnet sich selbst als Kartenfreak, beschreibt sehr detailreich 58 Orte und Begebenheiten, die auf Irrtümern, Lügen und Kuriositäten basieren. Warum kam es überhaupt dazu? Dieser Frage ist Brooke-Hitching akribisch nachgegangen und er stellt fest, dass manchmal nur der Wunsch zum fantasievollen Ergebnis führte, mitunter aber auch Missverständnisse oder Übersetzungsfehler. So entstehen ganze Kontinente, werden Binnenmeere in Australien erfunden, sind Korea und Kalifornien plötzlich Inseln und das erfundene gigantische Kong-Gebirge oder die Mondberge durchziehen Afrika. Besonders humorvoll wird es, wenn die Beschreibungen von Abenteurern, Weltumseglern und Reisenden die kreativbegabten Kartographen zu geographischen Höchstleistungen inspirierten, und noch erstaunlicher, wenn Hochstapler neue Inseln erfanden, um sie nach ihren Gönnern zu taufen, oder Betrüger mit dem vermeintlichen Besuch in einem wundersamen Land ein geldkräftiges Publikum beeindruckten. Auch skurrile Karten wie die der "Flachen Erde"-Theoretiker aus dem 19. Jahrhundert findet man hier neben Aristoteles' Beweisargumentation für die Kugelgestalt der Erde. Der Wunsch, sagenhafte Orte wie Atlantis, Lemuria oder El Dorado auf den Karten zu verorten, führte ebenfalls zu skurrilen Ergebnissen. Frühe Karten dienten oft auch dazu, die Bewohner fremder Länder abzubilden, so gibt es einäugige und einbeinige Völker, in den Meeren tummeln sich Seeschlange und Meeres-Einhorn und am schottischen Strand fallen vom Entenbaum junge Küken, die in die Welt hinaus flattern. Unglaublich und spannend zu lesen, wie lange sich manche Fehleintragungen gehalten haben und Phantom-Inseln ein Weiterleben führten. Hochwertig gedruckt, mit einer Vielzahl schöner farbiger historischer Karten, ist der einzige Wermutstropfen, dass man sich die Karten manchmal etwas größer wünschen würde. Ein breit empfohlenes Buch für geographisch und geschichtlich interessierte LeserInnen gleichermaßen, zum Immer-wieder-darin-Blättern und Staunen darüber, dass die wahren Abenteuer im Kopf sind. *bn* Doris Schrötter
Medium erhältlich in:
56 KÖB St. Marien Mainz-Drais,
Mainz-Drais
Personen: Brooke-Hitching, Edward Wolff, Lutz-W.
Brooke-Hitching, Edward:
Atlas der erfundenen Orte : die größten Irrtümer und Lügen auf Landkarten / Edward Brooke-Hitching. Aus dem Engl. von Lutz-W. Wolff. - München : dtv, 2017. - 255 S. : Ill. (farb.)
ISBN 978-3-423-28141-6 fest geb. : ca. ? 30,90
Erd- und Heimatkunde, Reiseführer - Signatur: ER Brook - Buch