Die Bandbreite der Gefühle: zwischen Grauen und kurzen Momenten des Glücks. (DR) 11 Erzählungen sind hier versammelt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das beginnt bei den Charakteren: eine alternde, todkranke Musikerin; der Schriftsteller Isaak Babel mit seinem Mörder; ein Junge mit seinem Vater; eine lebenslang gedemütigte Frau oder ein Bestatter, ein Maurerpolier und eine Soziologin. Sie und etliche andere erleben Schreckliches, haben erhellende, aber zu späte Erkenntnisse oder es ist ihnen ein kurzes Aufleuchten von Glück vergönnt. Gänzlich unterschiedlich sind auch Situationen und Orte: Ein erschütternder Dialog zwischen Opfer und Henker im Folterkeller im stalinistischen Moskau. Die gespenstische Szene, als Bestatter die ihnen zugeteilten Leichen eines Grubenunglücks abholen. Das Mädchen, das auf seine Prügelstrafe wartet. Ein tödlicher Unglücksfall auf einer Pferdezuchtanlage. Ein Telefonat mit einer ehemaligen Mitstudentin. Die meisten Geschichten enden tragisch. Von Trost keine Spur. Ängste und gestörte Gefühlswelten dominieren, das Unglück ist schon geschehen oder steht gerade bevor. Und trotzdem ziehen diese Geschichten in den Bann, denn Ralf Rothmann ist nicht nur ein großartiger Stilist, er ist ein Erzähler, der unglaublich atmosphärisch verdichten kann. Und so beklemmend und drastisch manche Texte sind, so beeindruckend sind sie auch. - Dringende Leseempfehlung für alle, die an sowohl poetischen als auch realistischen Erzählungen interessiert sind.
Personen: Rothmann, Ralf
Rothmann, Ralf:
Hotel der Schlaflosen : Erzählungen / Ralf Rothmann. - Berlin : Suhrkamp, 2020. - 204 S.
ISBN 978-3-518-42960-0 fest geb. : ca. € 22,70
Buch