Eine Familienzusammenkunft führt zu einer Serie nervenaufreibender und peinlicher Begegnungen, die aber auch die Verbundenheit ihrer Mitglieder bewusst werden lassen. (DR) Zur Eröffnung von Karolins queerem Buchladen »they/them« kommt die ganze Familie Schönwald zusammen: die Eltern, Bruder Benni aus der Uckermark und der große Bruder Chris aus New York. Chris hat als Literaturprofessor in den USA Karriere gemacht und ist der Star der Familie. Doch die Eröffnung der Buchhandlung wird zum Desaster. Aktivist*innen werfen Farbbeutel auf die Auslagenscheiben und behaupten, dass »they/them« mit Nazigeld finanziert wurde. Karolins Großvater war im Zweiten Weltkrieg Offizier. Mit seinem Erbe konnte sie ihren Traum, eine Buchhandlung zu eröffnen, verwirklichen. Das Argument der Aktivist*innen, dass jeder Wehrmachtsoffizier automatisch ein Kollaborateur der Nazis war, kommt der Familie Schönwald absurd vor, doch sie begreifen, dass man diese Sache auch anders, von einem grundsätzlicheren Standpunkt aus betrachten kann. Zunächst gilt es allerdings, das Programm für die nächsten Tage zu planen, schließlich kommt Chris nicht jedes Jahr aus den USA nach Deutschland. Dieser hat freilich ein Riesenproblem. Er möchte auf keinen Fall, dass seine Familie erfährt, dass er den Job an der Universität verloren hat. Damit nicht genug, ist er in den Kreis der Trump-Anhänger geraten, für die es ein gefundenes Fressen ist, einen gescheiterten linken Literaturprofessor geködert zu haben. Benni wiederum, der mit der Tochter eines Milliardärs verheiratet ist, leidet unter deren Abneigung für familiäre Zusammenkünfte. Die Geheimnisse, Traumata und Skrupel der Protagonist*innen spiegeln die Werte wider, die ein großer Teil der deutschen Gesellschaft zu leben versucht und dabei immer wieder mit den Geistern der Vergangenheit, aber auch mit jenen der privaten Familiengeschichte in Konflikt gerät. Doch »Schönwald« ist alles andere als ein kopflastiger Roman. Mit Ironie, Witz und einem umwerfenden Gespür für Situationskomik hat Philipp Oehmke einen Gesellschaftsroman geschrieben, der seinesgleichen sucht. Schwer vorstellbar, dass er nicht verfilmt wird.
Personen: Oehmke, Philipp
Oeh
Oehmke, Philipp:
Schönwald : Roman / Philipp Oehmke. - München : Piper, 2023. - 542 Seiten
ISBN 978-3-492-07190-1 Festeinband : EUR 26,00
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