Die meisten Religionen lassen sich nicht leicht von der Kultur, an der sie teilhaben, trennen. Beide verfügen über machtvolle Symbole und Rituale, die dem Leben ihrer Mitglieder Sinn geben und ihr Leben organisieren. Auch von Rechts-Systemen wird erwartet, dass sie Verhalten steuern, indem sie ein bestimmtes Verhalten erwarten und bestimmte Verhaltensweisen sanktionieren oder verbieten. Die Gesetze des Staates und die Religionen stimmen aber nicht immer darin überein, welche Bedeutung bestimmte soziale Praktiken haben. Aktuelle Beispiele sind unter anderem die Dispute über die Bedeutung des öffentlichen Tragens von Kopftüchern und Jarmulkes, oder auch das Kruzifix, die Krippe, der Christbaum, die Menorah vor oder in öffentlichen Gebäuden. Dieser Essay stellt sich der Frage, wie man an solche Fälle umstrittener kultureller Bedeutung herangehen sollte. Zuerst wird ein jüdischer Text analysiert, in dem über die kulturelle Bedeutung eines Sachverhaltes diskutiert wird. Mein Ziel ist es, zu zeigen, dass das Verstehen eines Falles nicht nur das Verstehen der Tatsachen erforderlich macht, sondern auch das Verstehen der kulturellen und symbolischen Bedeutung dieser Tatsachen. Moralische Ideale, Vorstellungen und Narrative von einer idealen Gesellschaft spielen eine wesentliche Rolle für die Lösung von Fällen mit umstrittener Bedeutung. Dann wird das Modell, das bei der Analyse des Falles aus dem jüdischen Recht entwickelt wurde, auf ähnliche Fälle aus zwei anderen Rechtssystemen, nämlich dem südafrikanischen und dem japanischen, angewendet. Als nächstes untersuche ich die Möglichkeiten, die den Gerichten offen stehen, um solche Fälle zu lösen. Und schließlich schlage ich - im Unterschied zur üblichen Lösungsmethode - vor, eine ohne Zwang auskommende Methode anzuwenden, die sich im jüdischen Zivilrecht entwickelt hat: ein vom Gericht initiierter, überwachter und vermittelter Kompromiss.
Most religions are not easily separated from the culture of which they are a part. Both involve powerful symbols and symbolic practices that organize and give meaning the lives of their members. Legal systems as well are expected to govern behavior, encouraging or requiring some actions while sanctioning and forbidding others. State law and religion do not, however, always agree on the meaning of a social practice. Contemporary examples include, among others, disputes about the meaning of publicly wearing headscarves and yarmulkes, or the display of crosses, crèches, Christmas-trees and menorahs. This paper addresses the question: how might such cases of disputed cultural meaning be approached? I first introduce and analyze a Jewish text that is about disputed cultural meaning. My purpose is to show that understanding the case requires understanding not just the facts but also the cultural or symbolic meaning of the facts. Again, based on this text, I suggest that moral ideals and or narratives or conceptions of an ideal society play a role in the resolving of cases of disputed meaning. I then use the model developed in my analysis of the case drawn from Jewish law to analyze similar cases from two other legal systems - Japanese and South African. These cases are shown to fit the model derived from the Jewish text. I next examine the options that are open to courts or legislatures especially, especially courts, in cases of disputed cultural meaning. Finally, I suggest that, as an alternative to the usual methods of resolving such cases, we further consider a relatively non-coercive method of resolving cases that is derived from Jewish civil law - court mandated and supervised mediated compromise.
Enthalten in:
Berliner Theologische Zeitschrift; 2013/2
(2013)
Serie / Reihe: Berliner Theologische Zeitschrift
Personen: Blanchard, Tsvi
Blanchard, Tsvi:
Social conflict and cultural meaning : a Rabbinic view of religious symbols and law / Tsvi Blanchard, 2013. - S.280-301 - (Berliner Theologische Zeitschrift) Recht und Religion
Religionswissenschaft - Zeitschriftenartikel