Die Weltpolitik trifft auf die Logik weiblicher Ermittlerinnen. (DR) Hat die norwegische Ermittlerin Hanne Wilhelmsen überlebt? Diese Frage stellten sich die Fans von Anne Holts Ermittlerin Hanne Wilhelmsen nach dem letzten Roman, zumal die Autorin, Juristin und kurzzeitig sogar Justizministerin Norwegens ein weiteres Ermittler-Paar erschaffen hat. Wilhelmsen hat überlebt, das wissen wir jetzt, aber sie steht nicht mehr im Mittelpunkt der Geschichte, hat nicht mehr den Platz zugeschrieben bekommen, an dem sie mit ihrer Sturheit und ihrem Sinn für Gerechtigkeit überzeugt.. Wenn ein Kriminalroman mit der Angelobung der ersten Präsidentin der USA startet und unmittelbar darauf zu dem melancholischen Abdallah al-Rahman schaltet, dann weiter nach Norwegen zur Profilerin Inger Johanne Vik, die ihr Handwerk in den USA gelernt hat, baut sich eine eigenartige Spannung auf. Wann wird die Katastrophe passieren? Denn Holt zieht die Spannungsfäden, lässt die Präsidentin nach Norwegen reisen, deutet die Geheimnisse um die Hauptpersonen mit geplanter Zufälligkeit an. Ja, es geschieht! Die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten wird aus dem Hotel entführt. Richtig große Politik - USA, die arabische Welt, Geheimdienste und ein privates Geheimnis der amerikanischen Präsidentin - setzt Anne Holt hier in Szene. Ihr Roman überzeugt aber an jenen Stellen, in denen die Frauen gemeinsam denken, während die Männer im intellektuellen Wettbewerb erstarren. Der Plot überzeugt mit der Ermittlungsarbeit der bekannten Kommissarin Hanne Wilhelmsen und der Profilerin Inger Johanne Vik. Dass ausgerechnet die ehemalige Prostituierte und jetzige Haushälterin von Hanne die Präsidentin im Kellerabteil finden muss, wirkt übertrieben. So, als wolle die Autorin alle von ihr geschaffenen Charaktere zu einem großen Finale auf die Weltbühne bitten. Aber ich empfehle den Roman aus zwei Gründen. Aus Wiedersehensfreude mit der einzigartigen Kommissarin und aufgrund der überzeugend geschriebenen Entwicklung der einzelnen Charaktere. Da bleibt ein armer Junge einem reichen Jungen lebenslang etwas schuldig, da will eine Kränkung nicht heilen, da leidet ein Bruder an lebenslangem Übersehenwerden: So einfach werden Menschen zu Tätern. Wer als LeserIn neu "einsteigt", kann die Wiedersehensfreude nicht teilen, fühlt sich vermutlich wie ein Fremder auf einem Familienfest: Aber für diese LeserIn hat Holt die Präsidentin eingeladen. Trotz Klischees, weltpolitischem Rundumschlags, Schwarz-Weiß-Darstellungen noch immer zu empfehlen - wegen der stillen Auftritte von Hanne Wilhelmsen. *bn* Christina Gastager-Repolust

---

---

Personen: Haefs, Gabriele (Übers.) Holt, Anne

Schlagwörter: Krimi

Interessenkreis: Krimi