Sensibel eingefangene Seelenlandschaften. (DR) Pierre Péju verwebt in diesem Roman gekonnt die Schicksale dreier Außenseiter miteinander: Die seltsam abwesende, der Welt entrückte Thérèse, die sich am liebsten im Geschwindigkeitsrausch auf der Autobahn auflösen würde, vergisst wiederholt ihre Mutterpflichten. Als die zehnjährige Eva, ein introvertiertes Mädchen, nach Schulschluss vergeblich auf ihre unzuverlässige Mutter warten muss, wird sie panisch und läuft vor ein Auto. Der traumatisierte Unfalllenker, Etienne Vollard, ein zurückgezogen lebender Buchhändler, wird durch den tragischen Unfall aus seiner Lethargie gerissen, er kümmert sich fortan wie ein Vater um die Kleine, sitzt an ihrem Krankenbett und erzählt unermüdlich Geschichten, um Eva aus dem Koma ins Leben zurückzuholen. - Soweit die Protagonisten dieses dünnen Büchleins - alle drei auf ihre Art Einsiedler in einer fremden, abgeschotteten Welt. Vollards Bemühungen tragen nur kurze Zeit Früchte: Eva erwacht, bleibt aber stumm und lebt "[h]alb verloschen hinter einer trüben Glaswand, eingeschlossen in das Eis eines großen Nichts." (S. 161) Blass und mager, stirbt sie schließlich wie ein zu zartes Pflänzchen. Und Vollards Schicksal nimmt seinen Lauf. Der Roman lebt ganz von der einfühlsamen psychologischen Figurenzeichnung des Autors. Vollard, ein manischer Leser, leidet unter seinem unbegrenzten Gedächtnis: Lesen ist für ihn nicht Entspannung oder Trost. Es bedeutet für ihn vielmehr, die Wunde eines anderen aufzudecken - denn: "Hinter den Sätzen, noch hinter den schönsten, den meisterlichsten, waren immer Schreie zu hören." (S. 124) Ebenso vermeint man zwischen den Zeilen die unsägliche Einsamkeit der Figuren auszumachen. Ein Buch von großer Traurigkeit, voller Stimmungsbilder und Seelenlandschaften. Wer ruhige Bücher in leisen Tönen und feinsinnig gezeichnete Psychogramme mag und auch nicht vor einem tragischen Ausgang zurückschreckt, der kann getrost zu diesem Buch greifen. *bn* Cornelia Gstöttinger

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Personen: Péju, Pierre Ranke, Elsbeth