Twyla und Roberta (eine weiß, die andere schwarz; es bleibt unklar, wer wer ist) teilen eine glückliche gemeinsame Zeit als Kinder, stehen aber als Erwachsene auf verschiedenen Seiten - wegen ihrer Hautfarbe.
Die einzige Erzählung der Nobelpreisträgerin Toni Morrison, im Original bereits 1983 erschienen, stellt ein Experiment dar. Die zwei Mädchen Twyla und Roberta, von denen eine weiß und die andere schwarz ist (welche, bleibt ungewiss), verbringen als achtjährige vier gemeinsame Monate im Waisenhaus von St. Bonaventure und verstehen sich prächtig. Bei ihren zufälligen Begegnungen als Erwachsene wird ihr Verhältnis zunehmend zwiespältig, am Ende stehen sie sich gar bei Demonstrationen auf unterschiedlichen Seiten gegenüber. - Während der Lektüre ist man versucht anhand der Beschreibungen herauszufinden, welche der beiden schwarz und welche weiß sein könnte - und wird so mit den eigenen Vorurteilen konfrontiert, die man infolge klischeehafter Annahmen trifft. Zadie Smith geht in ihrem Nachwort, das die Hälfte des Bandes ausmacht, ausführlich darauf ein, wie doppelbödig diese Vorgehensweise ist, denn aufgelöst wird die Sache nicht. - Ein lesenswerter Band, besonders angesichts des Trends in den USA, Werke, die u.a. Erfahrungen ethnischer Gruppen enthalten, in Bibliotheken verbieten zu wollen, auch die von Toni Morrison.
[Quelle: Sankt Michaelsbund Buchprofile-Rezension von Karin Blank]
Personen: Morrison, Toni Handels, Tanja
Mor
Morrison, Toni:
Rezitativ / Toni Morrison; aus dem Englischen von Tanja Handels. - Deutsche Erstausgabe. - Hamburg : Rowohlt, 2023. - 91 Seiten
ISBN 978-3-498-00364-7 Festeinband : EUR 20.00
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