Die Soziallehre der Kirche, herausgegeben von der Österreichischen Bischofskonferenz, approbiert durch den Päpstlichen Rat für die Förderung der Neuevangelisierung mit Zustimmung der Kongregation für die Glaubenslehre. (PR) "Der DoCat ist eine populäre Übersetzung der Sozial- und Gesellschaftslehre der katholischen Kirche… Besonders junge Menschen sollen sich davon angesprochen fühlen, die großen Dokumente der Kirche im Originaltext zu lesen und ihr Handeln an den Maximen von Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe zu orientieren." Allgemeiner Eindruck Wie von Texten der Katholischen Soziallehre zu erwarten, sind diese nicht einfach mundgerecht geschrieben. Sie setzen bereits Interesse (und eine gewisse Intellektualität) voraus, sich mit sozialen Fragen in ihren komplexen Hintergründen in anspruchsvoller Sprache zu befassen. Der DoCat ist also ein Buch für alle, die sich eingehend und tiefer mit diesen Fragen befassen wollen; und man müsste im Detail überlegen, welche der einzelnen Themen für unterschiedliche Jugendliche motivierend oder eben langweilig sind. Dass jemand den DoCat von Anfang bis Ende durchliest, scheint unwahrscheinlich. Vielmehr ist er wie ein Referenzbuch zu vielen Fragen und deshalb geeignet als Handbuch, aber auch vielleicht als ein umfassendes Kursbuch für einen Kurs zur Soziallehre, den man auf dieser Basis entwickeln könnte oder in Bezug auf Einzelthemen als Materialsammlung, Gesprächsgrundlage, Diskussionsanstoß. Stilistisch ist der DoCat ein Lehrbuch in Form von Kurztexten. Gut und übersichtlich gestaltet, allerdings mit zu vielen Seitentexten, die nicht immer passend sind. Denn diese fordern immer wieder zu Gedankensprüngen auf, die wie ablenkende Unterbrechungen sind. Dabei sind manche dieser Texte brillant, andere überflüssig. Die Originaltexte aus kirchlichen Dokumenten im Abschluss jedes Kapitels hinterlassen einen eher zwiespältigen Eindruck. Natürlich ist alles richtig und eine Quelle der Information, aber eigentlich mühsam zu lesen, nicht nur für Jugendliche. Der DoCat umfasst zwölf Kapitel, in denen alle sozial relevanten Themen kurz und prägnant behandelt werden: 1) Der Masterplan Gottes: die Liebe; 2) Gemeinsam sind wir stark: die Kirche und das Soziale; 3) Einmalig und unendlich wertvoll: die menschliche Person; 4) Gemeinwohl, Personalität, Solidarität, Subsidiarität: die Prinzipien der Soziallehre; 5) Das Fundament der Gesellschaft: die Familie; 6) Beruf und Berufung: die menschliche Arbeit; 7) Wohlstand und Gerechtigkeit für alle: die Wirtschaft; 8) Macht und Moral: die politische Gemeinschaft; 9) Eine Welt - eine Menschheit: die internationale Gemeinschaft; 10) Die Schöpfung bewahren: die Umwelt; 11) Leben in Freiheit und Gewaltlosigkeit: der Friede; 12) Das persönliche und gemeinschaftliche Engagement: die Liebe tun. Eine besondere Charakteristik der Soziallehre der Kirche liegt darin, dass sie sich an alle Menschen richtet, nicht nur an Christen; sie ist mit der Vernunft argumentierbar und benötigt für ihre Einsichtigkeit keinen expliziten Bezug auf die Offenbarung; die kirchliche Soziallehre spricht alle Menschen guten Willens an. Dies wird im 2. Teil (Nummer 35) zu Recht hervorgehoben. Aber das hätte ich eigentlich schon am Anfang erwartet, nicht erst in einem zweiten Teil, in dem das Verhältnis von Soziallehre und gesellschaftlicher Relevanz auch für Nicht-Gläubige - sehr klar - bearbeitet wird. Die Texte folgen einem Frage-Antwort-Schema, an das man sich gewöhnt. Die Fragen sind treffend; die Antworten zumeist auch, allerdings gibt es auch manche Antworten, die "herumreden" oder des Öfteren den Eindruck vermitteln, dass die Kirche hier in der Rolle ist, die Welt zu bewerten, zu beurteilen, zu belehren. Damit wird allerdings im Kontext der Soziallehre ein unangemessenes Kirchenbild vermittelt. (Das betrifft vor allem den ersten Teil.) Einzelne Teile Aus der Sicht des Rezensenten gibt es einige Abschnitte, die hervorzuheben sind: der Exkurs über die Medien (37-46); die übersichtliche Darstellung der Grundprinzipien der Soziallehre, auch wenn diese nicht einfach zu lesen sind (84 ff.), und die später ergänzt werden durch das Prinzip der Nachhaltigkeit (263 ff.); der ganze Abschnitt über die Arbeit (134-157); die Texte zur Schöpfung (256-269). Bemerkenswert sind auch einige kürzere sehr prägnante Texte, die dabei doch sehr differenziert sind, etwa über den fairen Handel (251-254) oder über den Terrorismus und dessen Ursachen (298-300). Natürlich werden manche Themen in der Gesellschaft (und auch innerkirchlich) kontrovers diskutiert. Dabei bietet der DoCat einen guten Ausgangspunkt für vertiefende Diskussionen, bei denen man nicht unbedingt zur selben Meinung kommen muss (Gaudium et Spes 43), sich sehr wohl aber dem Gemeinwohl (und innerkirchlich: dem Evangelium) verpflichtet weiß. Bei anderen Themen werden die Spannungen in den sozialen Fragen selbst - und damit auch in der kirchlichen Soziallehre deutlich, oftmals implizit. Ein Beispiel: Der Einzelne ist fundamental in eine Familie (49) eingebunden (wobei offenbleibt, was mit jenen ist, die keine Familie haben); an einer späteren Stelle werden die Personrechte des Einzelnen (55ff.) betont. Bringt man dies in Verbindung zueinander, bedeutet dies, dass die Eingebundenheit in der Familie wohl ihre Grenzen hat. Also: Bekommt man zunächst den Eindruck "Familie über alles", so ist dies in der Folge zu relativieren. Diesen Zusammenhang, den der DoCat auch bietet, muss man aber beim Lesen nachvollziehen und die zusammengehörigen Stellen miteinander in Bezug setzen. Der Exkurs über die Person in der Bioethik (69-81) ist mutig und wichtig. An zwei Stellen müssten die Fragen weitergeführt werden: wenn nämlich eine allgemeine Betrachtung der Situation (aus der Logik der Soziallehre heraus) auf eine existenzielle Einzelsituation trifft. So wird der Extremfall einer Schwangerschaft nach Vergewaltigung thematisiert (75). Der belehrende Stil irritiert an dieser Stelle besonders. Es fehlt an Empathie. Es fehlt auch an einem Hinweis auf eine mögliche Freigabe zur Adoption. Im Abschnitt über Euthanasie (77f) wird auf Palliativmedizin und Hospizbewegung hingewiesen. Dies entspricht der aktuellen kirchlichen Position und geht klar in die richtige Richtung. Offen bleibt (aber da kann der DoCat nichts dafür), dass die kirchliche Sicht Andersdenkenden nicht einleuchtet; d.h.: die "vernunftmäßige" Argumentation kommt an eine Grenze - und hier wird tatsächlich eine Sicht aus dem Glauben in engerem Sinn herausgefordert. Das Kapitel über die Familie (112-133) beinhaltet alle wesentlichen Aspekte. An zwei Stellen wiederum wird sich eine Diskussion anschließen. So sollen etwa nicht-eheliche Formen des Zusammenlebens (126) grundsätzlich positiv gesehen werden. Aber was ist, wenn die dazu vorgeschlagene "Umkehr hin zur Schule der Berufung der Ehe" nicht möglich ist? Und die unterschiedlichen Situationen und Anregungen für kinderlose Ehepaare (128) sind nicht unbedingt realistisch. Das Thema Migration (248-250 und weitere Stellen) wird kurz angesprochen. Das wäre in der Diskussion und im Sinn einer Weiterentwicklung der Soziallehre zu ergänzen: das Dokument des Heiligen Stuhls "Erga migrantes caritas Christi" hätte hier seinen Platz. Relativ viel und in unterschiedlichen Zusammenhängen wird vom Staat gesprochen (vor allem im Abschnitt "Macht und Moral. Die politische Gemeinschaft, 195-228). Hier müsste ein Gespräch differenzieren, was unter Staat, Nation, Volk usw. gemeint ist, und zwar besonders im Blick auf die historischen Entwicklungen von gesellschaftlichen Ordnungen. Denn Staaten und Grenzen verändern sich derzeit, einiges ist sogar in Europa erst seit Kurzem so, wie es heute ist. (Und manche Autonomiebestrebungen von Regionen könnten wieder etwas verändern.) Man kann weiters aus verschiedenen Gesichtspunkten diskutieren, was die Aufgabe des Staates denn wirklich ist: für die Familie (116), für die Wirtschaft (182), für den fairen Handel (251), für Werte (262) usw. An einer Stelle wird erwähnt, dass er Werte sichern soll (202), wobei ein demokratischer Staat auf das Mitwirken aller gesellschaftlich relevanten Kräfte angewiesen ist. Die Christen haben de facto hier nur eine Stimme unter vielen (213). Was soll aber geschehen, wenn "die vom Staat gesicherten Werte" gegen christliche Grundprinzipien gerichtet sind? - Das könnte man in den Texten des DoCat in Bezug auf einzelne Fragen sicher herauslesen! Zwei Abschnitte muss ich aus dem Gesichtspunkt von jemandem, der gerne mit Nicht-Gläubigen über die Inhalte der kirchlichen Soziallehre ins Gespräch kommen möchte, sehr in Frage stellen. Dies ist das ganze erste Kapitel (Der Masterplan Gottes: die Liebe, 1-21), weil dieser sich nur an explizit Gläubige richtet, die zudem im Glauben schon recht "fortgeschritten" sein sollten, und der Abschnitt über Frieden (270-297), der allzu abgehoben-fromm die realen Probleme nur sehr oberflächlich anspricht. Die Definition "Friede ist glücklich sein in Gottes Ordnung" (275) ist zwar - spirituell - eine schöne Perspektive, wirkt im Blick auf die Wirklichkeit aber bloß frömmelnd. Nochmals allgemein "Die soziale Frage berührt das depositum fidei" (Bischof Ketteler - Seite 141). Das könnte eigentlich als Motto ganz am Anfang stehen. Insofern passt es ja, wenn manchmal ein direkter Bezug zum Glauben der Kirche hergestellt wird. Andererseits ist dies verzichtbar, wenn man die Soziallehre der Kirche auch nicht-gläubigen Rezipienten einsichtig machen will. Denn für diese würde der explizite Bezug auf die Offenbarung eher irritierend und hinderlich sein, um sich mit der Thematik sachlich zu befassen. Andererseits: wenn der DoCat an Gläubige gerichtet ist, dann ist diese tatsächliche Verwurzelung der Soziallehre im Glauben eine zusätzliche Motivation, sich damit zu befassen. In dieser Spannung steht das 12. Kapitel "Das persönliche und gemeinschaftliche Engagement - Die Liebe tun" (305-328). Während die ersten Abschnitte (305-309) ein allgemeiner Appell und eine Motivation sein wollen, wird es anschließend (310-318) sehr, sehr innerkirchlich. Danach (319-328) schafft der DoCat wieder die Kurve zu einem christlich motivierten Blick nach außen. (Es passiert hier übrigens, dass einzelne Wörter irritieren: wenn plötzlich "linke" politische Gruppen (322) erwähnt werden - das ist hier neutral gemeint -, aber nichts von "rechten" erwähnt wird, die aktuell vielleicht mehr Fragen aufwerfen.) Alles in allem: Nichts ist vollkommen. Deshalb darf man eigentlich von keinem Buch und auch nicht vom DoCat Perfektion erwarten. Dann ist es Aufgabe des Lesers und jener, die sich damit befassen, diese möglichen Irritationen fruchtbar zu machen und die eigene Situation nochmals zu bedenken. Der DoCat könnte anregen, die Soziallehre verstärkt wahrzunehmen und in gesellschaftliche Diskurse einzubringen. Er könnte mithelfen, die Soziallehre angesichts stets neuer Fragestellungen weiterzuentwickeln, was ansatzweise bereits (z.B. im Exkurs über die Medien, 37-46) geschieht. Man kann sich wünschen, dass mit dem DoCat kreativ gearbeitet wird. Er ist es wert.
Personen: Franziskus <Papst> Küppers, Arnd Schallenberg, Peter Ahrens, Stefan Meuser, Bernhard
DoCat : was tun? die Soziallehre der Kirche / mit einem Vorw. von Papst Franziskus. Hrsg. von der Österreichischen Bischofskonferenz. Das Werk wurde erarb. von Arnd Küppers und Peter Schallenberg in Kooperation mit Stefan Ahrens ... Projektleitung und Red.: Bernhard Meuser. - Augsburg : YouCat, 2016. - 320 S. : Ill.
ISBN 978-3-945148-06-8 Broschur : EUR 14,99
Religion - Signatur: Re DoCat - Buch