Was eine Familie zusammenhält - auch wenn ihre Mitglieder ganz individuelle Wege gehen. (DR) Der amerikanische Originaltitel »French Braid« verweist auf den straff geflochtenen französischen Zopf, der nach dem Entflechten noch lange Zeit gewellte Haare zurücklässt. Er gilt als Metapher für die Prägungen einer Familie, die immer noch sichtbar bleiben, auch wenn man sie gelöst zu haben glaubt. Über einen Zeitraum von sieben Jahrzehnten und drei Generationen erstreckt sich die in einzelnen Episoden erzählte Familiengeschichte, die weder dramatische Katastrophen noch sensationelle Erfolgsgeschichten bereithält, sondern alltägliche und gewöhnliche Veränderungen und Verwerfungen. Mercy und Robin bilden mit ihren Töchtern Alice und Lily und dem Nachzügler David eine konventionelle Familie. Doch als der Sohn das elterliche Nest verlässt, zieht Mercy »in ihrem zweiten Leben« in ihr Atelier, wo sie der Malerei nachgeht und nur noch besuchsweise zu ihrem Mann zurückkehrt. Diese »Beinahe-Trennung« und andere harmoniestörende Tatsachen werden von der Familie nervenschonend ausgeblendet oder beschönigt, aber letztlich mit Toleranz akzeptiert. Dazu zählen in etwa die Scheidung einer der Töchter, weil sie von einem verheirateten Mann schwanger ist, oder dass Sohn David während seiner Studentenzeit fast nichts von sich hören lässt sowie der Fakt, dass einer der Enkelsöhne mit einem Mann zusammenlebt. Kleine Grausamkeiten kommen auch vor, doch die kleinen Freundlichkeiten überwiegen. Ein sehr liebevoll gestalteter, lesenswerter Roman, nah an der Realität.
Personen: Tyler, Anne Grabinger, Michaela
Tyler, Anne:
¬Eine¬ gemeinsame Sache : Roman / Anne Tyler ; aus dem Amerikanischen von Michaela Grabinger. - Zürich : Kein & Aber, 2022. - 349 Seiten
ISBN 978-3-0369-5875-0 Festeinband : EUR 25,00
Schöne Literatur - Signatur: Tyler - Buch