Schulen sind Orte des Lehrens und Lernens, die die Pluralität der modernen Gesellschaft abbilden. Hier begegnen sich Kinder und Jugendliche verschiedener Nationalitäten, Ethnien, Kulturen und Religionen. In ihrer kulturellen und religiösen Vielfalt spiegeln sie unsere Gesellschaft, die infolge des Zuzugs von Menschen aus vielen Kontinenten pluraler und damit zugleich heterogener geworden ist . Entsprechend hat sich auch an manchen Schulen die prozentuale Aufteilung von Schülerinnen und Schülern mit Blick auf ihre Religionszugehörigkeit verändert: Die Zahl muslimischer Kinder und Jugendlicher steigt ebenso wie die Zahl derjenigen, die keiner Religion angehören. Diese Entwicklung fordert alle am Schulleben Beteiligten heraus, in unterschiedlichen Handlungsfeldern zu einer von Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt geleiteten Schulkultur beizutragen, um kulturelle Begegnung und religiösen Austausch zu fördern . denn ein gelingendes Schulleben hängt maßgeblich davon ab, ob Lernende und Lehrende Schule als Ort der Gemeinschaft erleben können - in Formen, die identitätsstiftende Selbstvergewisserung und pluralitätsfähige Zusammengehörigkeit ermöglichen.
Religiöse Feiern können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten. Sie bieten im Rahmen eines liturgischen Ritus Gelegenheit, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und zu festigen, etwa in regelmäßigen gottesdienstlichen Angeboten oder auch anlassbezogen in Unglückssituationen und Todesfällen, wenn es darum geht, Leiderfahrung und Trauer gemeinsam Ausdruck zu verleihen und deren Bewältigung zu unterstützen.
In der Vergangenheit haben bundesweit einzelne evangelische Kirchen und katholische Diözesen, religionspädagogische Einrichtungen und liturgische Institute praktische Arbeitshilfen für die Gestaltung von gemeinsamen religiösen Feiern an der Schule herausgebracht, in denen die bis vor wenigen Jahren andauernde und vielerorts noch heute gängige Praxis beschrieben wird. Diese beziehen sich allerdings in der Regel weniger auf gemeinsame religiöse Feiern in einer Kooperation der Religionsgemeinschaften. Vielmehr handelt es sich dabei um christliche Schulgottesdienste und Schülergottesdienste am Schuljahresbeginn oder Schuljahresschluss, bei der Einschulung, anlässlich des Schulabschlusses oder besonderer christlicher Feste im Jahreslauf, die in sogenannter liturgischer Gastfreundschaft durchgeführt werden und zu denen Angehörige anderer Religionen eingeladen sind.
Angesichts der wachsenden kulturellen und religiösen Vielfalt an Schulen stellen sich heute mancherorts weiterreichende Bedürfnisse oder Erfordernisse, die über die bisherige Praxis hinaus gehen. Hier können multireligiöse Feiern - unter bestimmten Voraussetzungen - einen geeigneten Rahmen bieten, um mit Schülerinnen und Schülern, aber auch mit Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Religionszugehörigkeiten gemeinsam zu feiern und besondere Anlässe im Schulleben miteinander zu begehen.
Wie dies konfessions- bzw. religionenbewusst und differenzsensibel geschehen kann, ohne die Grenzen der Überwältigung zu übertragen und ohne das je Eigene aufzugeben, das will die vorliegende Handreichung aufzeigen. Sie gibt den Verantwortlichen grundlegende Hinweise und wichtige Informationen, an die Hand, die es bei der Vorbereitung zu bedenken gilt, und sie regt mit inhaltlichen Impulsen und konkreten Praxisbeispielen zur eigenen Gestaltung multireligiöser Feier in der Schule an. Einige der hier abgedruckten Beispiele wurden von katholischen und evangelischen Religionslehrkräften vor Ort mit Schülerinnen und Schülern, aber auch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Islam und Judentum erarbeitet und für diese Broschüre aufbereitet; andere orientieren sich an Vorlagen, die bereits in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurden. Theologische Vertreterinnen und Vertreter aus Islam, Alevitentum und Judentum waren eingeladen, ihre Expertise einzubringen und die verschiedenen Praxisbeispiele kritisch zu begutachten.
Neu an dieser Publikation ist, dass es sich um eine ökumenische Handreichung handelt, die von der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Erzdiözese Freiburg, der Evangelischen Landeskirch in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gemeinsam verantwortet wird. Damit unterstreichen die Bildungsverantwortlichen der Diözesen und der Landeskirchen in Baden-Württemberg zugleich, dass Ökumene in der Schule und bestimmten Handlungsfeldern weit fortgeschritten ist, so mit Blick auf die in enger Abstimmung entstandenen Bildungspläne und Beispielcurricula für den Religionsunterricht wie mit Blick auf die Formen des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts. Im besonderen Maße aber gilt dies für die ökumenischen Schul- bzw. Schülergottesdienste. Gerade sie haben sich zu einer bewährten Tradition entwickelt. Diese guten Erfahrungen gilt es heute für die neuen Herausforderungen im interreligiösen Miteinander, insbesondere der drei monotheistischen Religionen, fruchtbar zu machen. Die hier vorgestellten Modelle halten wir für geeignet, auch andere als die genannten Religionsgemeinschaften mit einzubeziehen.
Rechtlich bezieht sich die Handreichung auf die geltenden Bestimmungen, wie sie unten im Kapitel Amtliche Verlautbarungen aufgeführt sind. Dem Prinzip freiwilliger Teilnahme wird Rechnung getragen.
Die Herausgeber hoffen, dass die vorliegende Handreichung Religionslehrerinnen und Religionslehrer darin unterstützt, Schülerinnen und Schüler zu stärken, dem eigenen Glauben Ausdruck zu verleihen und zugleich den Glauben anderer zu achten, sodass Schule auch im religiösen Miteinander ein Ort gelebter Identität und Pluralität sein kann.
Weiterführende Informationen
Personen: Bischöfliches Ordinariat Rottenburg
17.04.3.21a
Bischöfliches Ordinariat Rottenburg:
Religiöse Feiern im multireligiösen Kontext der Schule : Eine Handreichung für die Fachkonferrenzen Evangelische und Katholische Religionslehre und Schulleitungen aller Schularten / Bischöfliches Ordinariat Rottenburg. - Freiburg : Katholische Bibelanstalt Stuttgart, 2018. - 46 S.
ISBN 978-3-96003-256-4
Schulgottesdienste - Zeitschrift