Inwiefern weist der biblische Schöpfungsbericht aus Gen 1 Parallelen zur Theorie komplexer Systeme auf? Catherine Keller entdeckt in Gen 1 Strukturen der Sensitivität für die Anfangsbedingungen und Feedback-Prozesse, wie sie für die Chaostheorie typisch sind. Das Echo im "Tohuwabohu" als anfängliche Oszillation, "Tehom" als Tiefe, aus der sich eine komplexe Welt entfaltet, sowie die Vibration der "Ruach Elohim" über den Wassern, die der Fluktuation eines Muttervogels ähnelt, kennzeichnen für sie die Schöpfung als emergenten Prozess. Dabei ist die göttliche Macht als Ruf und Eros zu verstehen, der die Welt in kokreative und autopoietische Prozesse einlädt. Anders als die Lehre der "creatio ex nihilo" sieht eine "tehomische Theologie" die Spannung des Anfangs nicht zwischen Welt und Nichts, sondern zwischen Kosmos und Chaos. Als "creatio ex pro fundis", Schöpfung aus der Tiefe, ist die Welt ein offenes System an der Grenze des Chaos.
Enthalten in:
Evangelische Theologie; 2009/5 Zweimonatsschrift
(2009)
Serie / Reihe: Evangelische Theologie
Personen: Keller, Catherine
Keller, Catherine:
Creatio ex profundis : Chaostheorie und Schöpfungslehre / Catherine Keller, 2009. - S.356-366 - (Evangelische Theologie)
Zeitschriftenartikel