Die aktuelle Bildungsdiskussion in Deutschland wird durch eine kurzsichtige ökonomische und utilitaristische Denkart bestimmt, die ein zunehmend ungünstiges Umfeld für die Geisteswissenschaften, insbesonders für die evangelisch-theologischen Fakultäten, schafft. Die theologischen Fakultäten haben nicht nur ihren rechtmäßigen Platz an unseren Universitäten; sie erfüllen auch eine wichtige kulturelle Funktion. Nur wenn sie ihrem Bildungsbegriff in ihrer eigenen Lehre und Forschung entsprechen, werden sie in der Lage sein, die aktuelle Bildungsdiskussion zu beeinflussen. Aus diesem Grund müssen sich systematische und praktische Theologie der Herausforderung stellen, ihren eigenen Bildungsbegriff innerhalb einer umfassenden Kulturwissenschaft in der Tradition sowohl der Reformation als auch Schleiermachers zu artikulieren und zu begründen. Die Wissenschaftsgemeinschaft wird nur in dem Maße Einfluß haben, in dem sie eine Kultur des gelehrten Streits aufrechterhält, die zugleich eine Kultur der Anerkennung der verschiedenen Denkenden beinhaltet. Dies ist traditionell eine der größten Errungenschaften des Protestantismus, der immerhin seine Anfänge in einer akademischen Lebenswelt hatte und seine großen Traditionen der akademischen Institutionalisierung von unterschiedlichen Meinungen verdankt.
The current educational debate in Germany is characterized by a short-sighted economic and untilitarian way of thinking, which creates an increasingly unfavourable environment for the humanities and especially for protestant theological faculties. Not only do the theological faculties have their rightful place at our universities, they also have an important function as vehicles of culture. But only if they fulfill their educational ideal in their own teaching and research will they be able to influence the current educational debate. Therefore systematic theology and practical theology must meet the challenge to assert and to develop their own educational ideal within the larger context of cultural studies in the tradition of the Reformation and of Schleiermacher. The scientific community will only be influential to the extent that there exists a culture of intellectual debate which includes a culture of respect for the whole diversity of thought. Traditionally, this has been one of the great achievements of Protestantism which, after all, had its beginnings in the world of academic and whose greatest tradition rest upon the fact that the diversity of opinion became an integral part of its academic institutions.

Enthalten in:
Zeitschrift für Theologie und Kirche; 2002/4 (2002)

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Serie / Reihe: Zeitschrift für Theologie und Kirche

Personen: Schmoll, Heike

Schlagwörter: Referat Bildungstheorie Protestantismus Bildungsauftrag Theologische Fakultät