Die vorgeschlagene Lektüre von Mk 12,1-12 bezieht sich auf die redaktionelle Ebene. Untersucht wird nicht nur die Perikope in ihrer Endgestalt, sondern auch ihre Einfügung in das gesamte Markusevangelium. In dem Augenblick, wo sich die Konfrontation zwischen Jesus und seinen Gegnern zuspitzt, verweist Jesus in indirekter Weise auf seine Gottessohnschaft. Drei psychologische Interpretationsansätze treffen sich, um diese redaktionelle Entscheidung zu begründen. Zum einen die antike Konzeption der Neubewertung der individuellen Identität, die es Jesus verbietet, seine neue Identität selbst zu erkennen zu geben. Zum zweiten das Ernstnehmen der Tatsache, dass die narrative Dimension ein grundlegendes Merkmal der Identität der Person (MacIntyre, Ricoeur) ist. Zum dritten der Vorteil, durch Erzählen einer Geschichte eine blockierte Kommunikationssituation aufzulösen: Die Geschichte ermöglicht es, sie aus der Distanz in einer "fiktiven" Welt zu bearbeiten (Peseschkian).
Enthalten in:
Evangelische Theologie; 2005/2 Zweimonatsschrift
(2005)
Serie / Reihe: Evangelische Theologie
Personen: Brandt, Pierre-Yves Wagner, Kristina (Übers.)
Brandt, Pierre-Yves:
Erzählung und Identitätsbildung : die Spiegelfunktion von Mk 12,1-12 in der Konstruktion der Identität Jesu / Pierre-Yves Brandt, 2005. - S.135-147 - (Evangelische Theologie) Psychologische Exegese
Zeitschriftenartikel