Der Beitrag sucht zu zeigen, dass das im Bundesbuch kodifizierte Recht nicht der Idee strafender Vergeltung oder der Tätersühne folgt, sondern dem Ziel der Bewahrung der Gemeinschaft, ihres Bestandes vor Gott und ihres inneren Friedens, verpflichtet ist. Das Todesrecht folgt dem Prinzip des zweckbewussten Rechtsgüterschutzes, lässt sich insofern auch als Generalprävention ansprechen. Die talio - ursprünglich die den Bluträcher bindende Beschränkung des Ausgleichs im Verlust auf das Maß der erlittenen Schädigung - wird als haftungsrechtlicher Grundsatz gefasst, der den Verursacher einer Körperverletzung mit und ohne Todes folge zur Zahlung eines angemessenen Schadenersatzes verpflichtet. Die vorgängig vom Paradigma des römischen Rechts bestimmte Interpretation der Tatfolgebestimmung der Erstattung des duplum, quadruplum oder quinquiplum als Privatstrafe ist abzuweisen. Das multiplex trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass unter den vorauszusetzenden sozialen Bedingungen jeder Diebstahl für den Bestohlenen einen Schaden verursacht, der höher ist als der Verlust des Gestohlenen. Insofern bleiben auch die sog. Multiplarstrafen ganz im Rahmen der Intention des kasuistischen Rechts, der Konfliktregulierung in der Gesellschaft durch gerechten und billigen Ausgleich von Ansprüchen.
Enthalten in:
Evangelische Theologie; 2005/6 Zweimonatsschrift
(2005)
Serie / Reihe: Evangelische Theologie
Personen: Graupner, Axel Seebass, Horst (gefeierte Person)
Graupner, Axel:
Vergeltung oder Schadensersatz? : Erwägungen zur regulativen Idee alttestamentlichen Rechts am Beispiel des ius talionis und der mehrfachen Ersatzleistung im Bundesbuch / Axel Graupner, 2005. - S.459-477 : graph. Darst. - (Evangelische Theologie)
Zeitschriftenartikel