„Einst lebte ein Mann, der glaubte, ihm gehöre alles.“ Wie dieser Mann namens Fausto – nomen est omen – voller Unzufriedenheit und Missmut in die Welt hinausgeht, um seine Besitzansprüche geltend zu machen, ist auf weitestgehend entleerten Bilderbuchseiten zu sehen. Oliver Jeffers spart nach seiner üppigen „Anleitung zum Leben auf der Erde“ (in „Hier sind wir“, Nord Süd 2018) sämtliche Bildhintergründe ein, um die Welt nun aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Fausto tritt aus dem einen Weißraum in den nächsten, um der Blume, dem Schaf, dem Baum und dem Berg klarzumachen, sie alle seien sein Eigentum. Und wehe, eines seiner angeblichen Besitztümer zeigt nicht sofort Einsicht: Dann wird der Mann wütend, „stampfte mit dem Fuß und ballte seine Faust.“ Dass er damit eines Tages den Kürzeren ziehen wird, lässt sich schnell erahnen, doch überrascht am Ende (durchaus positiv), zu welch drastischen Mitteln Oliver Jeffers greift, um die Kraft der Natur und die mangelnde Demut des Menschen zu stilisieren. Wie passend, dass er dafür zum erzählerischen Mittel der Fabel sowie auf bildlicher Ebene zur Lithografie greift! Der Bilderbuchkünstler nutzt traditionelle Ausdrucksmittel und die Anspielung auf eine durch die Jahrhunderte breit rezipierte Figur, um der Menschheit einen Spiegel vorzuhalten. Dafür braucht es die Belehrung und Moral der Fabel, denn aus all dieser Symbolhaftigkeit schöpft der Künstler eine große Portion Ironie, ohne jedoch dabei die Ernsthaftigkeit der Thematik auch nur einen Moment lang aus den Augen zu verlieren. Am Ende scheint es, als hätte es den Mann namens Fausto nie gegeben. Blume, Schaf, Baum und Berg gehen in aller Ruhe und Gelassenheit wieder ihren eigenen Angelegenheiten nach. „Denn das Schicksal des Fausto hatte für sie keine Bedeutung.“ Und aus dem Weißraum dieses, (im besten Sinne) auf den Kern seiner Problematik reduzierten Bilderbuches sprießt eine neue Blume.
Personen: Jeffers, Oliver Schaub, Anna
Jeffers, Oliver:
¬Die¬ Fabel von Fausto / Oliver Jeffers. [Übers.: Anna Schaub]. - Zürich : NordSüd Verl., 2020. - [96] S. : überw. Ill. (farb.)
ISBN 978-3-314-10523-4 fest geb. : ca. € 18,50
Signatur: C2/581 -