Ein Kleid, eine Schürze, ein Rock, eine Weste, eine Bluse, zwei Paar Socken und drei Unterhosen. Das ist alles, was der achtjährigen Christine Nöstlinger über den Sommer mitgegeben wird, als sie von ihrer Mutter kinderlandverschickt wird. Als eines von vielen österreichischen Stadtkindern, die wegen der Unterversorgung nach Kriegsende 1945 zu Bauernfamilien aufs Land gebracht wurden. In ihrem autobiografischen Text berichtet die 2018 verstorbene österreichische Kinderbuchautorin, die für ihr umfang- und einflussreiches literarisches Schaffen vielfach ausgezeichnet wurde, von ihren damaligen Erlebnissen und Empfindungen. Eindrücklich beschreibt sie ihre Kindheitserinnerungen an die vorbeiziehende Landschaft voller Felder, Dörfer und Kühe – die sie bis dahin nur von Bildern kannte. An den Geschmack von dottergelbem Schmelzkäse und amerikanischem Kakaoschalengetränk. Und an ihr Knieschlottern und Herzflattern, als sie und die anderen Kinder schließlich an ihrem Ziel ankommen, vor dem Gemeindeamt auf ihre Zuteilung warten und sie fürchtet, als Überzählige erkannt zu werden. In ihrem charakteristischen Ton erzählt die Autorin von kindlicher Sehnsucht und Beklommenheit, von Schuldgefühlen und Erleichterung, als die junge Christine schließlich zusammen mit den Dorfkindern spielen kann. Sophie Schmid hebt in ihren sepiafarbenen Bildern, in die sie originale Dokumente und mit Bleistift gezeichnete Figuren collagiert, das historische Setting hervor. Die sehnsuchtsvollen und doch auch immer unsicheren Blicke der Kinder vermag sie in ihren oft bedrückenden, aber stets atmosphärischen Illustrationen achtsam einzufangen. Ein Bilderbuch, das besonders durch seine Ehrlichkeit und seine Unaufgeregtheit besticht.
Personen: Nöstlinger, Christine Schmid, Sophie
Nöstlinger, Christine:
¬Der¬ Überzählige / Christine Nöstlinger [Text]. Sophie Schmid [Ill.]. - Wien : G&G, 2019. - [36] S. : überw. Ill. (farb.)
ISBN 978-3-7074-5232-7 fest geb. : ca. € 19,95
Bilderbuch - Signatur: JD;;Nös; - Bilderbuch