Ein Jugendbuch über Außenseiter und Antihelden. Schon wieder. Es gibt ziemlich viele davon. Das ist in einer Zeit der grassierenden Aufschneideritis und des Leistung-zur-Schaustellen-Syndroms auch nach wie vor dringend nötig, finde ich. Obwohl ich meine Zweifel habe, ob all die Nerds, Geeks, uncoolen und unsportlichen Kids ausgerechnet Geschichten von anderen Vertretern ihrer Gattung lesen wollen. Wenn sie darin aber Trost suchen oder wohlmeinende Pädagogen und Familienmitglieder sie ihnen ans Herz legen, dann muss das wenigstens ein richtig guter Stoff sein. Glaubhaft, authentisch und unaufgeregt erzählt. So wie die Story von „Irgendwo ist immer Süden“: Ina und Vilmer sind Nachbarn und neu in der 6. Klasse. Beide wohnen mit ihren alleinerziehenden Elternteilen in einem Sozialbau am Rande der Stadt, für die die Adjektive trist und trostlos eigens erfunden werden müssten. Inas Mutter ist arbeitslos und leidet unter Depressionen. Vilmers Vater ist Alkoholiker und alles andere als ein Kümmerer für seinen Sohn. Doch während der Junge erstaunlich selbstbewusst und unbeirrt in alten Klamotten und hässlichen T-Shirts seinen Weg abseits des Mainstreams geht, hat sich Ina zunehmend in ein Netz von Alltagslügen und Fantasien verstrickt: „Komisch, dass alle denken, mir ginge es so fantastisch. Ich scheine echt ganze Arbeit zu leisten, mit dem Lügen, meine ich.“ Nur so kann das feinsinnige Mädchen mit einer Schwäche für Gedichte und einem nahezu autistischen Zählzwang die raue Realität überhaupt ertragen. Die oft an sich und ihrem Leben (ver)zweifelnde Ina hofft, durch ihre Lügen irgendwie doch Anschluss an die coole Mädchenclique ihrer Klasse zu finden. Vergeblich, das ist von Anfang an klar. Doch bis sie final erkennt, dass der so oft das Falsche sagende und tragende Vilmer genau der Richtige ist, muss Ina einige Tiefschläge verkraften. Die norwegische, mehrfach preisgekrönte Autorin Marianne Kaurin hat für diesen Kinder-Entwicklungsroman durchgängig eine leise poetische Sprache gefunden, die gut zu Inas empfindsamer Persönlichkeit passt. „Vilmer fühlt sich an wie ein richtiger Freund. Vielleicht ein bester Freund. Vielleicht mehr.“ Denn neben den großen Themen Familie, Freundschaft und Sichfinden geht es in dem einfühlsamen Jugendbuch auch ums erste Verliebtsein.
Altersempfehlung: ab 12 Jahren.
Personen: Kaurin, Marianne Hüther, Franziska
JB Kauri
Kaurin, Marianne:
Irgendwo ist immer Süden / Marianne Kaurin. Aus dem Norweg. von Franziska Hüther. - Dt. Erstausg., 1. Aufl. - Hamburg : WooW Books, 2020. - 228 S.
Einheitssacht.: Syden
ISBN 978-3-96177-050-2
Zugangsnummer: 2022/0096 - Barcode: 00006680
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