Der Schneeflockensammler
Bilderbuch

Wilson Bentley lebt in Nordamerika auf dem Land. Wie sein Vater und sein drei Jahre älterer Bruder wird er Farmer werden. Doch Wilson ist anders: Statt im Stall und auf dem Feld mitzuhelfen, verliert sich der Junge mit den tiefbraunen Augen beim Anblick von Blättern, Steinen und Nebelschwaden in Gedanken. „Manchmal glaube ich, dass du noch gar nicht auf dieser Welt bist“, ärgert sich der Vater. Dass hinter Wilsons abwesendem Blick mehr steckt als faule Träumerei, vermittelt Robert Schneider in einfachen, ruhigen Sätzen, die die Tragweite der Geschichte spüren lassen. Denn bei seinen Naturbetrachtungen entdeckt Wilson, dass ein Ulmenblatt die gleiche Form wie der Ulmenbaum hat, dass die Adern auf Steinen den Feldwegen und Straßen ähneln und „dass in der großen Form auch die kleine Form verborgen“ ist. Formen und Strukturen faszinieren den Jungen, der seine Entdeckungen sammelt, um sich alles nochmal genauer anzuschauen. Eines Wintertages erkennt er die zartverästelte Struktur und Schönheit einer Schneeflocke. Als er sie berührt, schmilzt sie und ist „verloren für immer“. Dass die Schönheit der Schneekristalle nicht festzuhalten ist, lässt ihn nicht los. Winter um Winter, bald bewaffnet mit einer selbstgebastelten Verquickung aus Mikroskop und Fotoapparat, probiert Wilson so lange, bis es ihm gelingt, einzelne Schneeflocken fotografisch abzubilden. Er erkennt, dass ein Schneekristall immer sechseckig ist und keine Schneeflocke der anderen gleicht. Wilson Bentley war ein amerikanischer Farmer und Schneeforscher, der zwischen 1885 und 1931 mehr als 5000 Schneeflocken fotografierte. Robert Schneider schrieb vor einem Jahr einen Zeitungsartikel über Bentley, der die Illustratorin Linda Wolfsgruber auf die Idee eines Bilderbuchs über diesen Schneeflockenmann brachte. Hildegard Gärtner, Verlegerin des Jungbrunnen Verlags, konnte Schneider dafür gewinnen, einen Bilderbuchtext über Wilson Bentley zu schreiben. „Der Schneeflockensammler“ klingt im besten Sinn nach Winter, ganz so als würde Schnee die Geräusche schlucken und alles ein bisschen dämpfen und friedlicher wirken lassen. Das Buch ist aber nicht nur in sprachlicher Hinsicht ein Genuss, Linda Wolfsgruber fügt dem bereits bildhaften Text eine eigene Dimension hinzu. So fokussieren ihre Bilder weniger erzählte Handlungsmomente als die besondere Atmosphäre und Stimmung dieser poetischen Erzählung. Wie Wilsons traumverlorener Blick changieren Wolfsgrubers Bilder zwischen verschwommenen blau-grauen Flecken, abgeriebenen Farbstrukturen und schwarz gezeichneten Schraffur- und Konturlinien einzelner Bildmotive. Sehnsuchtsblau, wie der Bucheinband und die jeweils linke Buchseite, auf der sich weiß das Schriftbild abhebt, wirken die Bilder schwebend, schattenhaft und geheimnisvoll. Dazu entsteht eine subtile Spannung zwischen Text und Bild, etwa wenn von Wilsons tiefbraunen Augen, einem roten Ulmenblatt oder roten Äpfeln gesprochen wird, die Gestaltung jedoch konsequent einer blau-grauen Farbpalette folgt: ein Farbkontrast, der sich zwischen den eigenen inneren Bildern und dem Farbspektrum des Buches entspinnt. Ein gelungenes Gesamtkunstwerk, das die Schönheit des Augenblicks feiert!


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Wolfsgruber, Linda Schneider, Robert

Schlagwörter: Achtsamkeit Wert

LIT30/462

Der Schneeflockensammler / von Robert Schneider. Mit Bildern von Linda Wolfsgruber. - Wien : Jungbrunnen, 2020. - [13] Bl. : Ill. ; 25,5 cm
ISBN 978-3-7026-5946-2 fest geb. : ca. € 16,00

Zugangsnummer: 2022/0277 - Barcode: 2-0150947-0-00234261-0
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