Fantastischer Erzählzyklus von ungewöhnlicher Ausdruckskraft und Schönheit. (DR) Józef steigt in einen archaischen Zug, der ihn zum "Sanatorium zur Sanduhr" bringt. Dort möchte er seinen todkranken Vater noch einmal sehen. Er findet ihn matt im Bett liegend, wird aber verblüfft Zeuge einer erstaunlichen Metamorphose, als der alte Mann plötzlich agil wird und den Sohn auffordert, mit ihm in sein neueröffnetes Geschäft zu kommen. Das Sanatorium, die Landschaft, die Luft - alles ist in satte Schwarz- und Grautöne gehüllt und die meiste Zeit befinden sich die Menschen im Schlaf, unterbrochen von Szenen fiebriger Lebendigkeit. Hier, wie auch in den anderen Erzählungen des Bandes, ist die Zeit vom Zerfall bedroht, funktioniert nicht mehr, wie wir sie normalerweise wahrnehmen, sondern läuft rückwärts oder verliert sich in Nebengleisen. Der Inhalt ist nicht leicht wiederzugeben, Schulz selbst spricht davon: "das Thema ist - wie immer - unwichtig und schwierig zu vermitteln" und "das eigentliche Thema, also die letzte Zutat, ist ein gewisser dynamischer Zustand." Der Autor erfüllt also nicht die Erwartung an einen sich kontinuierlich entwickelnden Handlungsablauf, belohnt jedoch mit einer grandiosen Sprache, deren Expressivität in Bann schlägt. Die surrealen Szenerien lassen an Kafka oder Kubin (z.B. "Die andere Seite") denken: Menschliches und Pflanzliches wuchert ineinander und vereinigt sich zu einem mythischen Kosmos: morbide, aber durchdrungen von einem magisch leuchtenden Fluidum. Bruno Schulz zählt zweifellos zu den bedeutendsten fantastischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Nach der bereits vielfach bewunderten Übersetzung der "Zimtläden" hat Doreen Daume nun ein weiteres Werk des genialen Dichters einem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht. Es wird Leserinnen und Leser, die sich darauf einlassen, mit seiner ungewöhnlichen Ausdruckskraft und Schönheit faszinieren. *bn* Ingrid Kainzner
Personen: Schulz, Bruno Daume, Doreen
Schulz, Bruno:
¬Das¬ Sanatorium zur Sanduhr / Bruno Schulz. Aus dem Poln. von Doreen Daume. - München : Hanser, 2011. - 367 S. : Ill.
ISBN 978-3-446-20890-2 fest geb. : ca. ? 25,60
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Schul - Buch