Blick zurück im Zorn auf die Welt. (BB) Saramago war schon über 80 Jahre alt, als er einen Internetblog begann, aus dem die in diesem Buch publizierten Beiträge stammen. Dabei erweist sich Saramago anders als in seinen Romanen, wo er als geistreicher, feinsinniger Erzähler zutage tritt, als "zorniger Wüterich" (so bezeichnet von Umberto Eco im Vorwort). Tatsächlich erleben wir in den knapp und verkürzend formulierten Beiträgen einen Rundumschlag gegen die Politik des Westens, zugespitzt auf die Unmoral der Banker und die Bezeichnung Berlusconis als "Verbrecher". Vor allem hat er es auf den früheren US-Präsidenten George W. Bush abgesehen, dem er andauerndes Lügen unterstellt. Saramago, ein bekennender Linker, geht auch auf den Nahostkonflikt ein und sieht schon einen neuen Holocaust am Horizont heraufziehen, wobei die Opfer die Palästinenser und arabische Attentäter sind. Hier schießt er wohl weit übers Ziel hinaus und schlägt undifferenziert um sich, wenn er meint, die "Israelis folgten den völkermörderischen Doktrinen derer, die ihre Vorfahren folterten, vergasten und verbrannten". Der im Juni 2010 verstorbene Literaturnobelpreisträger hat offenbar in seinen letzten Lebensjahren eine sehr negative und desaströse Vorstellung von Politik, insbesondere von jener des Westens, gehabt und nur aus dieser Perspektive ist seine gnadenlose Abrechnung zu verstehen. Dennoch ist das Buch recht lesenswert, weil es uns einerseits Saramago als "linken Provokateur" zeigt und andererseits die Qualität seiner übrigen Romane und Erzählungen belegt. Breite Empfehlung für an (Welt-)Politik interessierte LeserInnen. *bn* Heinrich Klingenberg
Personen: Eco, Umberto Saramago, José Gareis, Marianne Schweder-Schreiner, Karin von
Saramago, José:
¬Das¬ Tagebuch / José Saramago. Mit einem Vorw. von Umberto Eco. Aus dem Portug. von Marianne Gareis und Karin von Schweder-Schreiner. - Hamburg : Hoffmann und Campe, 2010. - 199 S.
ISBN 978-3-455-50174-2 kart. : ca. ? 16,50
Briefe, Tagebücher - Signatur: BB Saram - Buch