Eine bitterböse Reportage über Chaos und Hoffnungslosigkeit in Indiens Städten. (EL) Eine Ayurvedabehandlung im Wellnessressort auf Goa, Yoga für Fortgeschrittene oder spirituelles Energietanken beim Duft von Räucherstäbchen - den exotischen Reiz, den Reisekataloge versprechen, hat die Literaturprofessorin Maria E. Brunner auf ihrer Reise durch Indien wohl nirgends gespürt. Aasgeruch, Abgase, Rauch und vor allem der Gestank nach Urin liegt überall in der Luft. Ein gnadenlos hässliches Bild zeichnet die Autorin da in ihren zehn Essays. "Indien kennt kein Mitleid" - überfahrene Bettler bleiben hilflos auf der Straße liegen, mittellose Mädchen, von Geburt an unerwünscht, werden zur Prostitution gezwungen, Arbeiter von westlichen Unternehmern skrupellos ausgebeutet. Nach wie vor bestimmt das Kastenwesen die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft. Das Bildungssystem ist veraltet, die Universitäten rückständig und nur für Privilegierte zugänglich. Ihre Eindrücke beschreibt Maria E. Brunner ungeschminkt und mutig, sehr subjektiv zwar und einseitig negativ. Unerbittlich entwirft sie in einer klaren und dichten Sprache Skizzen zu einem zukünftigen Horrorszenario. "Am Ende", meint sie, "wird Indien schmutzig und gierig alles überrollen und fressen und erdrücken". Ob man nun ihre drastischen Ansichten teilt oder nicht, das Buch bietet tiefe, wenn auch verstörende Einblicke in die Situation des Subkontinents an der Schwelle zur Neuzeit. *bn* Claudia Stockmaier
Personen: Brunner, Maria E. Dall'O, Arnold Mario
Brunner, Maria E.:
Indien : ein Geruch / Maria E. Brunner. Mit Fotos von Arnold Mario Dall'O. - Wien : Folio-Verl., 2009. - 88 S. : Ill.
ISBN 978-3-85256-474-6 fest geb. : ca. ? 19,50
Reisen, regionale Geographie, Landeskunde - Signatur: EL Brunn - Buch