Ricottaküchlein sind das verbindende Element der Frauen innerhalb einer Familie. (DR) Cassatelle (Agathenküchlein) werden von den Frauen in Sizilien zu Ehren der heiligen Agatha hergestellt und haben die Form weiblicher Brüste. Sie erinnern an Agatha, die sich einem mächtigen Mann verweigerte und dafür zu Tode gefoltert wurde. Bis zur Gegenwart spielt sich das Leben sizilianischer Frauen zwischen häuslicher Gewalt und überbordender Frömmigkeit ab. Prügel für die Ehefrau (und die Kinder) sind an der Tagesordnung, als Frau den eigenen Willen durchzusetzen, ist geradezu undenkbar. Die Ich-Erzählerin Agatina erinnert sich im vorliegenden Roman an ihre Urgroßmutter, die die Tradition des Cassatelle-Backens in der Familie begann und an Brustkrebs starb; an ihre Großmutter Agata, die die Backkunst an die Erzählerin weitergab; an ihre andere Großmutter, zu deren Familie Agatina abgeschoben wurde, als das Brüderchen kam, und an ihren eigenen Werdegang, bei dem die Cassatelle überlebenswichtig waren. Der 347 Seiten lange Roman spiegelt die Geschichte Siziliens und den Kampf der Sizilianerinnen um ein Stück persönlichen Freiraums wider. Tragisch ist die Figur der Ich-Erzählerin, die den gut bezahlten Posten als Krankenhausärztin einer Amour fou opfert. Der Schauplatz Sizilien scheint uns nah und vertraut und birgt dennoch Geheimnisse, die es aufzudecken gilt. Das vorliegende Buch lüftet den Schleier ein wenig, indem es eine Familiengeschichte erzählt, die wohl typisch für die süditalienische Insel ist. Ein empfehlenswerter Roman, von Verena von Koskull hervorragend übersetzt. *bn* Doris Göldner

Personen: Torregrossa, Giuseppina Koskull, Verena von