Ein Tag im Altenheim "Les Bégonias". (DR) Camille de Perettis dritter Roman ist soeben auf Deutsch erschienen und handelt von einem Tagesablauf in der Residenz "Les Bégonias", einem Altenheim der gehobenen Klasse. Die Autorin zeichnet unspektakuläre, präzise Bilder ihrer ProtagonistInnen, die hauptsächlich aus Heiminsassen, aber auch aus deren Verwandten sowie dem Personal bestehen. Der Herkunft nach aus verschiedenen sozialen Schichten und unterschiedlichen Alters haben alle ihr mehr oder weniger großes Päckchen zu tragen. Nach einem erfüllten Leben, mittlerweile gezeichnet von Demenz, Alzheimer oder anderen altersbedingten Krankheiten, fristet die dritte Generation ihr restliches Dasein auf dem Abstellgleis. Größtenteils ausrangiert, abgeschoben und aus dem Alltag der Verwandtschaft gedrängt, versuchen diese Menschen, jeder auf seine Weise, sich ein bisschen Würde zu erhalten. So zum Beispiel M. Destroismaisons, der seine innigst geliebte Frau von früh bis spät umsorgt, obwohl seine an Alzheimer erkrankte einstige Schönheit ihn immer wieder für einen Liebhaber hält und ihn auffordert, sich zu beeilen, weil ihr Mann bald zurückkäme. Die Stärke des Romans liegt in seiner Behutsamkeit. Es wird nichts überzeichnet oder übertrieben, die Lebensbilder der Aktanten sind gefühlvoll inszeniert und können so eine äußerst realitätsnahe Stimmung erzeugen, die die LeserInnen nachdenklich und betroffen zurücklässt. Als kleine Randnotiz sei noch hinzugefügt, dass Peretti ihren Roman in Anlehnung auf George Pérec und Raymond Queneau (Vertreter der Literatengruppe OULIPO) formal und strukturell strengen mathematischen Regeln unterwarf. In Anbetracht der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft kann man diesem Buch nur eine möglichst große Leserschaft wünschen. *bn* Christoph Stitz

Personen: Peretti, Camille de Schmidt-Henkel, Hinrich