Sewell, Anna
Black Beauty
Buch

Nach einer behüteten Jugend führt der schwarze, stattliche Hengst Black Beauty in der liebevollen Umgebung eines Gutshofs das Leben eines Reit- und Kutschpferdes. Eines Tages jedoch muss sein Besitzer ihn aus Geldnot verkaufen und Black Beauty gerät in die Fänge skrupelloser und egoistischer Menschen. Ein Ende seiner grausamen Leidenszeit scheint schon nicht mehr in Sicht, da nimmt ein kleiner Junge sich seiner an und sein Leben eine Wende. Mit ihrem aufrüttelnden Tierroman "Black Beauty" schuf die englische Schriftstellerin Anna Sewell 1877 das große Vorbild aller modernen Pferdegeschichten - ein Muss!
Auszug aus Black Beauty von Anna Sewell, Dieter Wiesmüller. Copyright © 2007. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
Teil I
1. Mein erstes Zuhause
Der erste Ort, an den ich mich erinnere, ist eine große schöne Weide mit einem klaren Teich in der Mitte. Am Ufer standen ein paar Bäume, an den tiefen Stellen wuchsen Seerosen und Binsen. Auf der einen Seite sahen wir auf einen Acker, auf der anderen über ein Tor auf das Haus unseres Herrn. Am oberen Ende unserer Wiese lag ein Tannenwäldchen, am unteren Ende ein rasch fließender Bach, der durch eine steile Böschung fast verborgen wurde.
Als ich noch sehr klein war, lebte ich von der Milch meiner Mutter, weil ich noch kein Gras essen konnte. Tagsüber blieb ich immer in ihrer Nähe, nachts lag ich an ihrer Seite. Wenn es heiß war, standen wir am Teich im Schatten der Bäume, wenn es kalt war, hatten wir einen Unterstand beim Tannenwäldchen.
Als ich alt genug war, um Gras zu fressen, ging meine Mutter den ganzen Tag zum Arbeiten und kam erst abends zurück. Außer mir gab es noch sechs Fohlen auf unserer Weide, die alle älter als ich waren. Ich lief mit ihnen um die Wette und hatte viel Spaß. Unsere Spielereien wurden manchmal auch ziemlich grob, die anderen bissen und schlugen ebenso gerne, wie sie galoppierten.
Nach einer besonders heftigen Rauferei unter uns Fohlen, wieherte eines Tages meine Mutter nach mir.
»Höre mir gut zu. Die Fohlen hier sind gute junge Pferde, aber es sind Kaltblut-Fohlen. Sie haben natürlich keine Manieren gelernt. Du bist aus einer besseren Zucht. Hier in der Gegend war dein Vater sehr bekannt, dein Großvater hat zweimal das große Rennen in Newmarket gewonnen. Deine Großmutter war das sanfteste Pferd der Welt - und ich bin mir sicher, dass du noch nie gesehen hast, wie ich beiße oder schlage. Ich hoffe, du wirst niemals schlechte Gewohnheiten annehmen. Sei immer willig, schlage und beiße nicht einmal im Spiel.«
Ich habe den Rat meiner Mutter nie vergessen. Sie war ein erfahrenes altes Pferd und unser Herr hielt viel von ihr. Sie hieß Duchess, aber er nannte sie liebevoll Schätzchen.
Unser Besitzer gab uns gutes Futter, ein schönes Zuhause und sprach mit uns so freundlich wie zu seinen kleinen Kindern. Wir mochten ihn alle sehr, besonders meine Mutter. Wenn sie ihn am Tor sah, dann begrüßte sie ihn mit einem Wiehern und trabte sofort zu ihm hin. Er streichelte sie und sagte:
»Na altes Schätzchen, wie geht es deinem kleinen Schwarzen?« Dann gab er mir ein Stück Brot, das sehr lecker war, und manchmal hatte er sogar eine Karotte für meine Mutter dabei. Alle Pferde kamen gerne zu ihm, aber ich glaube, wir waren seine besonderen Lieblinge. Am Markttag spannte er immer meine Mutter vor seinen kleinen Einspänner.
Dick, ein junger Knecht, kam manchmal auf unsere Koppel, um in der Hecke nach Brombeeren zu suchen. Wenn er genug gegessen hatte, dann machte er sich noch einen kleinen Spaß mit uns Fohlen, wie er es nannte. Er warf mit Steinen und Stöcken nach uns und scheuchte uns über die Wiese. Er störte uns nicht sehr, weil wir einfach davon rannten - aber manchmal traf uns ein Stein und das tat weh.
Als Dick wieder mal seinen »Spaß« hatte, wusste er nicht, dass unser Besitzer auf dem Nachbarfeld stand und ihn beobachtete. Der sah, was vor sich ging, sprang über die Hecke und gab Dick eine solche Ohrfeige, dass er vor Schmerz aufschrie. Sobald wir unseren Herrn sahen, kamen wir neugierig angetrabt, um zu sehen, was jetzt passierte.
»Du Tierquäler!« sagte er. »Es ist gemein, die Fohlen zu hetzen. Das ist nicht das erste und nicht das zweite Mal, aber ganz sicher das letzte Mal. Hol deinen Lohn ab und verschwinde, ich will dich nie mehr auf meinem Hof sehen!«
Wir sahen Dick nie wieder. Der alte Daniel kümmerte sich genauso liebevoll um uns wie unser Besitzer, es ging uns also sehr gut.
2. Die Jagd
Doch bevor ich zwei Jahre alt war, passierte etwas, das ich nie vergessen werde. Es war einer der ersten Frühlingstage, der Nebel lag noch über den Wiesen. Ich und die anderen Fohlen grasten auf der Koppel, als wir plötzlich weit entfernt das Bellen der Hunde hörten. Der älteste von uns hob seinen Kopf, spitzte die Ohren und sagte: »Jagdhunde!« Wir galoppierten alle zu der Hecke, um etwas zu sehen. Meine Mutter und ein altes Reitpferd standen ganz in der Nähe, sie wussten ganz genau, was da vor sich ging.
»Sie haben einen Hasen aufgespürt«, sagte meine Mutter. »Vielleicht können wir sie sehen.«
Nur wenig später brachen die Hunde laut bellend durch ein junges Weizenfeld. Ich habe noch nie so einen Lärm gehört. Sie bellten und jaulten, so laut sie konnten. Hinter ihnen galoppierten Männer in grünen Jacken. Das alte Reitpferd schnaubte und sah ihnen sehnsuchtsvoll hinterher. Wir Fohlen wollten gleich mitgaloppieren, aber die Reiter verschwanden in einer Talsenke. Plötzlich hörten die Hunde auf zu bellen und rannten nur noch mit den Nasen auf dem Boden herum.
»Sie haben die Spur verloren«, sagte das alte Reitpferd. »Vielleicht kommt der Hase noch einmal davon.«
»Welcher Hase?« fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung, welcher Hase! Irgendeiner von unseren Ländereien. Für die Hunde und die Jäger ist jeder Hase, den sie finden können, gut genug.«
Kurz darauf fingen die Hunde wieder an zu bellen. Im vollen Tempo kamen sie wieder zurück und rannten über unsere Wiese zur Uferböschung hin.
»Gleich werden wir den Hasen sehen«, kündigte meine Mutter an - und da war er auch schon.
Der Hase raste an uns vorbei und versuchte das kleine Wäldchen zu erreichen. Hinter ihm her kamen die Hunde, sprangen über die Böschung und rasten jaulend über das Feld. Sechs oder acht Reiter sprangen direkt hinter den Hunden über den Bach. Der Hase wollte sich durch die Hecke zwängen, aber er war zu dick; er versuchte zur Straße zu fliehen, aber es war zu spät. Mit einem letzten wilden Jaulen machten sich die Hunde über ihn her. Wir hörten noch einen Schrei und dann war es vorbei. Einer der Jäger kam mit seiner Peitsche und trieb die Hunde von dem Hasen weg - sonst hätten sie ihn in Fetzen gerissen. Der Jäger hielt den blutigen Hasen an dem Bein hoch und die Jagdgesellschaft war sehr zufrieden.
Ich war so überrascht über das Ganze, dass ich erst einmal gar nicht gesehen habe, was am Bach vor sich ging. Aber als ich hinüber sah, bot sich ein trauriger Anblick. Zwei Pferde waren gestürzt. Eines kämpfte im Bach darum, wieder auf die Beine zu kommen, das andere lag stöhnend im Gras. Einer der Reiter kletterte schlammbedeckt aus dem Wasser, der andere lag schrecklich still.
»Er hat sich das Genick gebrochen«, sagte meine Mutter.
»Und es geschieht ihm Recht!«, meinte ein Fohlen.
Das dachte ich auch, aber meine Mutter war anderer Meinung.
»Nein. Das dürft ihr nicht sagen. Ich bin ein altes Pferd, das schon viel erlebt hat, aber ich habe noch nie verstanden, was die Menschen an der Jagd finden. Sie tun sich weh. Sie riskieren die Gesundheit von guten Pferden. Und das alles für einen Hasen oder einen Fuchs oder einen Hirschen, den sie viel einfacher auf andere Weise bekommen könnten. Aber wir sind ja nur Pferde und haben keine Ahnung.«
Während meine Mutter das sagte, schauten wir zu, was am Bach passierte. Viele der Reiter gingen zu dem jungen Mann, der sich nicht mehr rührte. Aber mein Besitzer war der Erste, der ihn aufhob. Sein Kopf fiel zurück und seine Arme hingen kraftlos nach unten. Alle waren sehr ernst. Eine schreckliche Ruhe legte sich über die Szene und sogar die Hunde gaben keinen Ton mehr von sich und schienen zu ahnen, dass hier etwas ganz falsch lief. Sie trugen den jungen Mann in das Haus unseres Herrn. Ich habe später gehört, dass es der junge George Gordon war, der einzige Sohn des Gutsbesitzers.
Die Jäger holten den Doktor, den Tierarzt und natürlich auch den Gutsbesitzer Gordon. Der Tierarzt, Dr. Bond, sah nach dem schwarzen Pferd, das stöhnend im Gras lag. Er betastete seine Beine und schüttelte seinen Kopf - eines der Beine war gebrochen. Irgendjemand rannte zum Haus und holte ein Gewehr. Nach einem lauten Knall war alles wieder furchtbar still. Das schwarze Pferd bewegte sich nicht mehr.
Meine Mutter war außer sich. Sie kannte dieses Pferd schon seit Jahren. Er hieß Rob Roy und war ein braves Pferd ohne eine einzige schlechte Angewohnheit. Sie betrat diesen Teil der Weide nie wieder.
Nur wenige Tage später hörten wir die Kirchenglocken. Über das Tor hinweg sahen wir eine schwarze Kutsche, die von Rappen gezogen wurde. Danach kam noch eine Kutsche. Und noch eine. Und noch eine. Alle waren schwarz. Die Glocke läutete und läutete. Sie brachten den jungen Gordon zum Friedhof, um ihn zu beerdigen. Er würde nie wieder jagen. Was aus Rob Roy wurde, habe ich niemals erfahren. Und das alles für einen kleinen Hasen.
3. Ich werde eingeritten
Ich war inzwischen ziemlich hübsch geworden. Mein Fell war seidenweich und lackschwarz. Ich hatte ein weiß gefesseltes Vorderbein und einen kleinen Stern auf meiner Stirn. Jeder meinte, ich sei eine echte Schönheit, aber mein Besitzer wollte mich nicht verkaufen, bevor ich vier Jahre alt war. Er sagte immer, dass Jungen nicht wie Männer arbeiten sollten - und Fohlen nicht wie Pferde.
Als ich vier Jahre alt war, untersuchte mich Gutsbesitzer Gordon. Er sah sich meine Augen, mein Maul und meine Beine an und ich wurde ihm im Schritt, Trab und Galopp vorgeführt. Er schien mich zu mögen, denn er sagte:
»Wenn er sorgsam eingeritten wird, wird aus ihm ein gutes Pferd.«
Mein Besitzer versprach ihm, dass er sich selbst um das Einreiten kümmern würde. Er versprach, dass ich weder Angst bekommen noch Schmerzen erdulden musste. Und er verschwendete keine Zeit: Am nächsten Tag ging es los.
Vielleicht weiß nicht jeder, was es bedeutet, wenn ein Pferd eingeritten und eingefahren wird, deshalb werde ich es erklären. Das Pferd lernt, einen Sattel und ein Zaumzeug zu tragen und dann einen Menschen auf seinem Rücken zu dulden. Es darf nur noch dahin gehen, wohin der Mensch es ihm erlaubt, und es muss dabei immer ruhig und gelassen sein. Dann gewöhnt man es an das Geschirr. Es muss immer still stehen, wenn es angelegt wird. Dann wird ein Wagen an dem Geschirr befestigt, so dass das Pferd nirgends hingehen kann, ohne ihn hinterherzuziehen. Das Pferd muss immer genau in dem Tempo gehen, das der Kutscher befiehlt. Es darf nicht scheuen, nicht mit anderen Pferden sprechen, nicht beißen und nicht ausschlagen. Es muss immer tun, was der Kutscher von ihm will, egal wie hungrig oder müde es ist. Es darf keinen Freudensprung machen und sich nicht hinlegen. Einreiten und Einfahren ist also eine ziemlich wichtige Sache.
Ich war natürlich schon lange an das Halfter gewöhnt. Aber jetzt sollte ich ein Zaumzeug und ein Gebiss bekommen. Mein Herr gab mir ein wenig Hafer und schaffte es dann, mir irgendwie das Gebiss in mein Maul zu zwängen. Das war schrecklich! Wer so etwas noch nie in seinem Maul hatte, kann sich gar nicht vorstellen, wie fürchterlich sich das anfühlt: ein Stück kalten harten Stahl, so dick wie ein Finger, zwischen die Zähne und über die Zunge geschoben zu bekommen. Die Enden ragen aus dem Maul heraus und werden von Riemen über dem Kopf, unter Kehle und rund um die Nase festgehalten, so dass es keine Möglichkeit gibt, dieses ekelhafte harte Ding wieder loszuwerden. Ich fand das grauenhaft. Aber ich wusste, dass meine Mutter und alle anderen erwachsenen Pferde so ein Zaumzeug mit Gebiss trugen und mit viel Hafer, liebevollen Worten und Streicheleinheiten meines Besitzers gewöhnte ich mich daran.
Als Nächstes kam der Sattel, aber das war nur halb so schlimm. Mein Herr legte ihn ganz sanft auf meinen Rücken, während Daniel mich am Kopf festhielt. Er streichelte mich und redete beruhigend auf mich ein, während er vorsichtig den Sattelgurt anzog. Danach gab es ein wenig Hafer und ich wurde ein wenig herumgeführt. Das machten sie jeden Tag und ich fing an, mich auf den Sattel und den Hafer zu freuen. Irgendwann stieg mein Herr auf meinen Rücken und ritt über das weiche Gras unserer Weide. Das fühlte sich wirklich merkwürdig an, aber ich war ziemlich stolz, dass ich meinen Besitzer auf dem Rücken tragen durfte.
Die nächste unangenehme Sache war das Beschlagen. Das fiel mir sehr schwer. Mein Herr ging selber mit mir zur Schmiede, um darauf zu achten, dass ich keine Angst bekam und mir auch nicht wehgetan wurde. Der Schmied nahm einen Huf nach dem anderen in seine Hand und schnitt ein wenig vom Hornweg. Das tat nicht weh, also stand ich brav auf drei Beinen, bis er fertig war. Dann nahm er ein Hufeisen, legte es auf meinen Huf und nagelte es fest. Mein Füße fühlten sich danach sehr steif und schwer an, aber auch daran gewöhnte ich mich im Lauf der Zeit.
Nachdem er so weit gekommen war, begann mein Besitzer auch noch mit dem Einfahren. Ich musste mich an noch mehr Lederriemen gewöhnen: das schwere Geschirr und ein Zaumzeug mit großen Lederstücken an der Seite, die Scheuklappen genannt wurden. Die sorgten dafür, dass ich nur noch nach vorne sehen konnte. Als Nächstes kam auch noch ein Schweifriemen dazu. Den hasste ich! Mein langer, seidiger Schweif wurde durch den Riemen gezerrt und das war fast so schlimm wie das Gebiss. Noch nie war mir mehr danach zumute, kräftig auszukeilen. Aber natürlich konnte ich nicht nach unserem Herrn ausschlagen und so gewöhnte ich mich auch daran.
Ich darf nicht vergessen, von einem Teil meines Trainings zu erzählen, den ich immer sehr nützlich fand. Mein Besitzer schickte mich für zwei Wochen zu einem benachbarten Bauern, der eine Wiese direkt an einer Eisenbahnlinie hatte. Auf dieser Wiese grasten ein paar Schafe und Kühe, die mir Gesellschaft leisteten.
Ich werde niemals den ersten Zug vergessen. Ich graste friedlich neben dem Zaun, der die Koppel von den Gleisen trennte. Plötzlich hörte ich in einiger Entfernung ein merkwürdiges Geräusch, und bevor ich nachdenken konnte, wer oder was da kam, raste auch schon ein langes schwarzes Ding vorbei, mit Rattern und riesigen Dampfwolken. Es war vorbei, noch bevor ich Luft holen konnte. Ich drehte um und raste zum anderen Ende der Koppel. Hier hielt ich schnaubend an. Im Laufe des Tages kamen noch viele Züge vorbei. Einige fuhren langsamer, manche gaben sogar ein schreckliches Quietschen und Stöhnen von sich, bevor sie im nahe gelegenen Bahnhof anhielten. Ich fand das entsetzlich, aber die Kühe grasten unbeeindruckt weiter und hoben nicht einmal den Kopf, wenn wieder ein Zug vorbeidampfte.
Die ersten paar Tage konnte ich kaum grasen. Aber allmählich begriff ich, dass dieses schreckliche Ding nie auf die Koppel kam. Ich fing an, es nicht mehr zu beachten, und nur wenig später blieb ich so gelassen wie die Schafe und Kühe.
Ich habe seitdem viele Pferde gesehen, die beim Geräusch der Dampfmaschine nervös werden. Dank des Trainings meines Besitzers fühle ich mich auf Bahnhöfen so sicher wie in meinem eigenem Stall.
Ich wurde oft mit meiner Mutter gemeinsam angespannt. Sie war sehr zuverlässig und konnte mir mehr beibringen als jedes andere Pferd. Sie erklärte mir, dass ich in meinem Leben am besten alles tun sollte, um meinem Besitzer zu gefallen. »Natürlich gibt es viele verschiedene Menschen. Da sind die rücksichtsvollen wie unser jetziger Besitzer, dem jedes Pferd gerne dient.
Dann sind da die grausamen Männer, die nie ein Pferd oder einen Hund besitzen dürften. Und dann gibt es noch die Idioten. Sie sind zu dumm, zu eitel oder zu sorglos, um mit einem Pferd umzugehen. Die haben mehr Pferde auf dem Gewissen als jeder andere, einfach weil sie keine Ahnung haben. Sie meinen es nicht so, aber das Ergebnis ist genauso schlimm. Ich hoffe, du wirst gute Besitzer haben. Aber ein Pferd weiß nicht, wem es einmal gehören wird. Für uns ist es ein Glücksspiel, aber denke immer daran: Was auch immer passiert, gib dein Bestes und mache unserem Namen Ehre.«

4. Birtwick Park
Damals wurde mein Fell jeden Tag gebürstet, bis es wie ein Rabenflügel glänzte. Anfang Mai holte mich ein Knecht von Gutsherr Gordon ab, der mich zum großen Herrenhaus brachte. Mein Herr verabschiedete sich von mir. »Mach es gut, Schwarzer. Sei ein gutes Pferd und gib immer dein Bestes!«
Ich konnte nicht Auf Wiedersehen sagen, aber ich legte meine Nase in seine Hand. Er klopfte mir noch einmal den Hals, dann verließ ich mein erstes Zuhause. Ich blieb einige Jahre auf dem Gut, deswegen will ich es genauer beschreiben.
Der Park lag am Rande des Örtchens Birtwick. Man betrat das Gut durch ein großes Eisentor, an dem ein Pförtnerhäuschen stand. Dann trabte man über eine ebene Straße an ein paar Bäumen vorbei zu einem zweiten Tor und einem zweiten Häuschen. Von hier aus erreichte man das Gutshaus und die Gärten.
Dahinter lagen die Weide, der alte Obstgarten und die Stallungen. Es gab einige Ställe und Unterstände für Pferde und Kutschen, aber ich werde nur den Stall beschreiben, in den ich gebracht wurde. Er war sehr geräumig mit vier großen Unterständen. Ein großes Fenster sorgte für gute Luft. Die erste Box war die größte. In ihr konnte ein Pferd sich frei bewegen und musste nicht angebunden werden. Die anderen Unterstände waren auch sehr schön, aber in ihnen wurden die Pferde wie üblich angebunden.
Der Pfleger brachte mich in diese große Box. Sie war sauber, trocken und luftig. Ich war noch nie in meinem Leben besser untergebracht, die Seiten waren so niedrig, dass ich alles beobachten konnte, was im Stall passierte. Ich bekam ein bisschen Hafer, der Stallbursche sagte ein paar nette Worte und tätschelte meinen Hals. Dann ging er wieder.
Nachdem ich aufgefressen hatte, sah ich mich um. Im Unterstand neben meinem stand ein kleines, fettes graues Pony mitwuscheliger Mähne, dickem Schweif und einer frechen Schnauze. Ich streckte meinen Kopf über meine Boxenwand und fragte:
»Wie geht's? Wie heißt du?«
Das Pony drehte sich nach mir um, so weit es der Anbindestrick zuließ. »Ich heiße Merrylegs. Ich bin sehr brav und trage die jungen Damen spazieren und hin und wieder spannt mich auch unsere Herrin vor den Einspänner. Die Damen halten viel von mir, genauso wie James. Bist du mein neuer Nachbar?«
»Ja!« antwortete ich.
»Na gut«, sagte er. »Ich hoffe, du hast keine schlechte Laune. Ich mag keine Nachbarn, die beißen.«
Genau in diesem Moment schaute ein Pferd aus der Box dahinter. Es hatte seine Ohren angelegt und sah ziemlich schlecht gelaunt aus. Es war eine große Fuchsstute mit einem langen, edlen Hals. Sie blickte zu mir hinüber und sagte:
»Du bist also das Fohlen, das mich aus meiner schönen Box vertrieben hat. Merkwürdige Sache, einfach eine Lady aus ihrem Zuhause zu vertreiben.«
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte ich. »Aber ich habe niemanden vertrieben. Der Stallknecht hat mich hierher gestellt, ich habe damit nichts zu tun. Und ein Fohlen bin ich auch nicht mehr, ich bin schließlich schon vier Jahre alt und ausgewachsen. Ich hatte noch nie in meinem Leben Streit mit anderen Pferden und ich möchte gerne in Frieden mit allen leben.«


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Sewell, Anna Mayer, Felix

Standort: Kinderbuchraum

Interessenkreis: Kinderbuchklassiker

SEW

Sewell, Anna:
Black Beauty / Anna Sewell. Aus dem Engl. neu übers. von Felix Mayer. - Köln : Anaconda, 2011. - 253 S. ; 20 cm
Einheitssacht.: Black Beauty
ISBN 978-3-86647-614-1 fest geb. : EUR 4.95

Zugangsnummer: 2011/1397 - Barcode: 000000147729
Kinderbuch - Buch