Innenansicht einer Gesellschaft und eines Individuums im Ersten Weltkrieg. (DR) Eine seltsame, dem Leben reichlich distanziert gegenüberstehende Gestalt ist die Hauptfigur Ginster, der sich als unbeteiligter Beobachter seiner Umgebung am liebsten unsichtbar macht. Die Kriegsbegeisterung von 1914 ergreift den jungen Frankfurter Architekten nicht, dafür schildert er aber die Vorgänge und Meinungsäußerungen in seiner Umgebung und auch die Auswirkungen des Krieges auf die Gesellschaft. Etwas Energie muss er bei aller Lethargie doch aufwenden, um immer wieder vom Kriegsdienst zurückgestellt zu werden. Paradoxerweise arbeitet er dann am Entwurf einer Granatenfabrik und eines Ehrenfriedhofes für Gefallene. Vorsichtshalber lässt er sich ein Herzproblem diagnostizieren. Dieses rettet ihn zwar vorerst nicht vor dem Stellungsbefehl und einer Ausbildung im Hinterland zum Kanonier, allerdings letztendlich vor dem Kriegseinsatz. Die Darstellung der Ausbildung zum Soldaten gehört zum Eindrücklichsten des Buches und zeigt in einer metaphernreichen Sprache das absurde militärische System überdeutlich: Es ist geprägt von Entmenschlichung, Unterwerfung unter ein sinnloses Regelsystem und ein bizarres Treiben chaplinesker Figuren. Anders als viele Antikriegsromane führt Kracauer das Grauen der Schlachtfelder nicht vor, sondern die Voraussetzungen dafür: die Umwandlung der Individuen in Untertanen und funktionierende Kampfmaschinen. - Neuausgabe des 1928 anonym erschienenen Romans. Für literarische LeserInnen mit Vorliebe für poetisch-philosophische Sprachwelten. *bn* Fritz Popp
Personen: Kracauer, Siegfried
Krac
Kracauer, Siegfried:
Ginster : Roman / Siegfried Kracauer. - FRankfurt a. M : Suhrkamp, 2013. - 341 S.
ISBN 978-3-518-42353-0 Festeinband : Euro 1o.oo
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