Boie, Kirsten
Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen
Kinder- und Jugendbücher

Annotation: Vier Geschichten über die schrecklichen Lebensbedingen von Kindern in Swasiland. Rezension: Ja, die gibt es, Dinge, die man nicht erzählen kann. Daran hat sich Kirsten Boie gehalten, als sie sich nach jahrelanger Erfahrung durch ihre Reisen nach Swasiland, Südafrika getraut hat, vier Geschichten zu schreiben. Geschichten über Kinder, die in einer Umwelt aufwachsen, von denen sich unsere Kinder hier (und auch wir Erwachsene) kaum eine Vorstellung machen. Die Kinder in Boies Buch sind stellvertretend für Millionen von Kindern in Afrika und anderswo auf diesem Planeten, die ihre Eltern durch Aids verloren haben. Die mit den Großeltern, wenn sie noch da sind, ihr Schicksal teilen. Kinder, die selber oft nicht wissen, ob sie bereits infiziert sind. Sie leben unter schwersten Bedingungen und in allergrößter Armut in teilweise verlassenen, verdörrten Landstrichen und glauben trotzdem daran, dass es weitergehen kann, nein muss. Da ist Thulani, der mit seiner jüngeren, elfjährigen Schwester und der alten, gehbehinderten Großmutter in einer kleinen Hütte lebt. Und dort bleiben wird, weil er die beiden nicht verlassen kann. Die Geschwister Sonto und Pholile, zu Fuß auf dem Weg unterwegs zur Krankenstation, um zu erfahren, ob sie HIV-positiv sind. Lungulile, die möchte, dass ihre kleine Schwester zur Schule geht. Dafür braucht sie aber Schuhe, und die kosten viel Geld. Lungulile verkauft ihren Kinderkörper dafür. Schließlich Sipho, der sich sein Leben lang schuldig fühlen wird, weil er ein einziges Mal kein Wasser am Fluss holen wollte und dadurch mit seiner Großmutter ein furchtbares Feuerunglück geschieht. Dafür passende Worte zu finden war eine Höchstleistung der Autorin. Aus ihnen formte sie knappe, kurze Sätze, fast in Stakkato, die weh tun. Die erschütternden Schicksale gehen derart unter die Haut, dass nach jeder Geschichte eine Pause nötig ist, um zu verarbeiten, was in ihnen langsam und eindringlich - wie Bilder eines Films - abläuft. Genau das ist die Stärke dieses kleinen, großen Buchs zu Themen, die in jeder Geschichte indirekt angesprochen werden, ohne Larmoyanz, Wehleidigkeit, Belehrung oder Sentimentalität. Großartige Illustrationen und Buchgestaltung von Regina Kehn ergänzen die Inhalte emotional und kognitiv. Aus eigenen Erfahrungen in Afrika und Indien weiß ich, dass unzählige Kinder nie Kinder sein dürfen, weil sie viel zu früh schwere Entscheidungen treffen müssen und täglich ums Überleben kämpfen müssen. Dieses literarische Kleinod sollte Pflichtlektüre sein für alle, die die Augen nicht verschließen wollen vor dem, was außerhalb unserer Wohlstandsgesellschaft mit Kindern geschieht, die trotz allem mutig, geduldig, optimistisch und zäh ihr Leben tapfer in die Hand nehmen. Ein bewundernswertes, einmaliges und überragendes Werk!


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Personen: Boie, Kirsten Kehn, Regina (Ill.)

Boie, Kirsten:
Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen / Kirsten Boie. Bilder von Regina Kehn. - Hamburg : Oetinger, 2013. - 111 S. : Ill.
ISBN 978-3-7891-2019-0 fest geb. : Eur 13,40

Zugangsnummer: 0013385001 - Barcode: 2-0000000-8-00091956-2
Erzählungen und Romane - Signatur: JE BOI - Kinder- und Jugendbücher