Eng verzweigt wie die Baumkronen auf dem Cover von Rudi Habringers neuem Roman zeigen sich die Geschichten seiner handelnden Figuren. Wie es im darunter liegenden Wurzelwerk, in den tiefer liegenden Schichten aussieht? - Wir können es nur ahnen. (DR) Während wir bei Romanen gewohnt sind, dass uns ein Erzähler aus einer höheren Perspektive heraus einen Erzählfaden durch Haupt- und Nebenhandlungen legt, führt Habringer sein bereits in äEngel zweiter Ordnungô angelegtes Spiel mit dem Wechsel der Perspektiven konsequent weiter. So als würde in den 24 Kapiteln 24mal die Helmkamera gewechselt, folgen wir dem Geschehen aus jeweils neuem Blickwinkel. Linz und Passau bilden die geografischen Brennpunkte. Das Figureninventar ist uns aus Habringers erfolgreichem Vorgängerroman äEngel zweiter Ordnungô weitgehend bekannt. In Passau forscht Verena verzweifelt nach den Gründen für die Ermordung ihres Mannes, in Linz sucht Katharina die Spuren ihrer Liebschaft zu diesem Mann und ihre Rache an dem Mörder zu verschleiern. Am Ende werden sich beide begegnen. Familienangehörige, Freunde, Kollegen - sie alle übernehmen zumindest kapitelweise eine Rolle im Geschehen der Handlung. Lauter vermeintliche Hauptfiguren, die einander in unglaublicher Dichte wechselseitig in die Filme ihres jeweiligen Lebens laufen. Es ist die erzählerische Kunst von Rudi Habringer, dass der Text dieses perspektivische Wechselspiel verträgt. In wenigen Sätzen versteht er es, eine Figur und eine Szene aus einem Gestus, einem Sprachduktus oder einer Denkfigur heraus lebendig werden zu lassen. So switchen wir zwar ständig, bleiben aber dennoch im selben Film, der konsequent seine innere Spannung aufbaut und hochhält. Man staunt, man ahnt, man ist beunruhigt - und blättert begierig weiter. Allen Bibliotheken nachdrücklich empfohlen.
Personen: Habringer, Rudolf
Habringer, Rudolf:
Was wir ahnen : ; Roman / Rudolf Habringer. - Wien : Picus-Verl., 2014. - 310 S.
ISBN 978-3-7117-2007-8 fest geb. : ca. EUR 22,90
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR HAB - Romane, Erzählungen